Die wichtigsten Ergebnisse der heutigen Sitzung:
- Wie im Vorfeld allgemein erwartet, hat sich der EZB-Rat bei seinem heutigen Treffen auf eine Reduktion der PEPP-Anleihenkäufe verständigt. In der geldpolitischen Stellungnahme heisst es, die PEPP-Käufe sollen in einem moderat geringeren Umfang fortgeführt werden, als während des 2. und 3. Quartals. Bisher hatte die entsprechende Passage gelautet, die Käufe werden in einem signifikant grösseren Umfang vorgenommen, als in den ersten Monaten des Jahres. Wir schliessen daraus, dass die Käufe ab Oktober in etwa dem Ausmass von Januar bis März dieses Jahres entsprechen werden bzw. leicht darüber liegen. Damals wurden Anleihen für durchschnittlich rund 63 Mrd. EUR pro Monat erworben. Das entspräche verglichen mit dem Zeitraum April bis August einer Reduktion um monatlich etwa 10 Mrd. bis 15 Mrd. EUR.
- EZB-Präsidentin Christine Lagarde war sichtlich bemüht, die Entscheidung zur Reduktion der Anleihenkäufe klein zu reden und verbal so »taubenhaft« wie möglich zu unterlegen. Sie betonte mehrfach die verbliebenen Konjunkturrisiken sowie die Tatsache, dass die Inflationsprojektionen die Teuerungsrate 2023 weiterhin klar unter dem Notenbankziel von 2,0% sehen. Es war ihr auch besonders wichtig, dass sich die Reduzierung der Anleihenkäufe zunächst lediglich auf das 4. Quartal bezieht und nicht als Auftakt eines Taperings zu verstehen sei. Über das weitere Vorgehen im nächsten Jahr soll erst beim Treffen im Dezember entschieden werden.
Unsere Einschätzung:
Die EZB wird weiterhin von der Stärke der Konjunkturerholung überrascht. Zum wiederholten Mal muss sie ihre BIP-Projektion für das laufende Jahr anheben (5,0% nach 4,7%). Die Wirtschaftsleistung wird aller Voraussicht nach bereits im laufenden Quartal ihr Vorkrisenniveau erreichen – ein Dreivierteljahr früher als es die Währungshüter noch Anfang dieses Jahres erwartet hatten. Im Kielwasser der günstigen konjunkturellen Entwicklung belebt sich der Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote lag im Juli bei 7,6% - das sind nur 0,2%-Punkte mehr als im Februar 2020. Zugleich wird die Fehleinschätzung der EZB mit Blick auf den gegenwärtigen Inflationsschub immer offensichtlicher. Für das laufende Jahr wurde die Projektion auf 2,2% angehoben, nach 1,9%. Im Dezember 2020 hatte man noch mit 1,0% gerechnet. Für 2022 erwarten die Notenbanker ebenfalls eine höhere Teuerungsrate. Die Anhebung der Projektion von 1,5% auf 1,7% ist die dritte in Folge – und es wird nicht die letzte sein. Bereits im Dezember dürfte die nächste Aufwärtsrevision folgen. Unserer Ansicht nach unterschätzt die EZB weiterhin die preistreibenden Effekte der Wiederöffnung zahlreicher Dienstleistungssektoren, die Überwälzung der massiv gestiegenen Erzeugerkosten auf die Konsumenten, den sich abzeichnenden Preisschub bei Nahrungsmitteln sowie die immer wahrscheinlicher werdenden heftigen Preiserhöhungen für Privatkunden bei Strom und Erdgas. Wir halten es daher für sehr wahrscheinlich, dass die Inflationsrate auch 2022 bei oder über 2,0% liegt.
Vor dem Hintergrund der raschen wirtschaftlichen Erholung, der günstigen Entwicklung am Arbeitsmarkt sowie der hartnäckig hohen Inflationsrate ist davon auszugehen, dass die EZB die Anleihenkäufe im nächsten Jahr weiter zurückzufährt. Ob eine Entscheidung hierzu und zur Frage der Beendigung des PEPP bereits auf der Dezembersitzung gefasst wird, hängt massgeblich von der Entwicklung der Pandemie in den kommenden Monaten ab. Im Zweifel dürfte die EZB eher länger an den PEPP-Anleihenkäufen festhalten. Wir sehen jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Pandemie mit dem nächsten Frühjahr ausgestanden sein wird. Insofern dürften die PEPP-Käufe spätestens ab dann spürbar zurückgefahren bzw. beendet werden. Um eine zu abrupte Reduzierung der Anleihenkäufe zu vermeiden, dürfte es eine Phase des Taperings der PEPP-Käufe geben. Eine vollständige Einstellung der Anleihenkäufe, die nicht im Rahmen des APP durchgeführt werden, erwarten wir Verlauf des 2. Halbjahrs 2022. Die APP-Käufe im Volumen von rund 20 Mrd. EUR monatlich dürften erst im Jahr 2023 eingestellt werden. Eine erste Anhebung des Einlagensatzes wäre damit 2023 möglich.
Jörg Angelé, Senior Economist der BANTLEON BANK AG