Q2-BIP-Zahlen: Eurozone mit blauem Auge davongekommen

Trotz globaler Gegenwinde bleibt die Eurozone auf Wachstumskurs: Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt der Bantleon AG, analysiert im aktuellen Beitrag die überraschend robuste BIP-Entwicklung im 2. Quartal und erklärt, warum seine Jahresprognose über dem Konsens liegt. BANTLEON | 01.08.2025 08:01 Uhr
Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, Bantleon AG / © e-fundresearch.com / BANTLEON
Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, Bantleon AG / © e-fundresearch.com / BANTLEON

Das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone hat laut der ersten Schätzung von Eurostat im 2. Quartal preisbereinigt um 0,1% im Vergleich zum Vorquartal zugelegt. Damit ist die absehbare Gegenbewegung auf das starke 1. Vierteljahr, als die Wirtschaftsleistung um 0,6% expandierte, eingetreten (vgl. Tabelle). Letztendlich ist die Eurozone aber mit einem blauen Auge davongekommen. Noch vor wenigen Wochen waren viele Beobachter von einem namhaften BIP-Einbruch im 2. Quartal ausgegangen. Die BIP-Schätzung des Konsensus lag denn auch noch in der vergangenen Woche bei -0,1% (nicht wenige Analysten gingen sogar von -0,2% bis -0,4% aus) und wanderte erst mit dem starken Resultat aus Spanien auf ±0,0%. Wir waren von vornherein etwas zuversichtlicher und haben ein Plus von 0,1% bis 0,2% unterstellt. Dies haben unter anderem die stabilen Industrieproduktionsdaten sowie der Composite-Einkaufsmanagerindex mit Werten über 50,0 Punkten nahegelegt. Betrachtet man das 1. Halbjahr 2025 zusammen, lag das annualisierte Wachstum bei 1,4%, was angesichts des aktuellen Gegenwinds aus den USA beachtlich ist.

Die starke Volatilität im 1. Halbjahr wurde durch die Vorzieheffekte im Außenhandel im Zusammenhang mit der US-Zollpolitik verursacht. So nutzten viele Exporteure die ersten Monate des Jahres, um noch vor Inkrafttreten der US-Strafzölle Waren in die USA zu exportieren. Dies hat dazu geführt, dass die gesamten Güterexporte der Eurozone im 1. Quartal um 7,6% expandiert sind und der Wachstumsbeitrag des Außenhandels deutlich positiv war (+0,2%-Punkte). Im 2. Quartal dürften die Güterexporte um rund 5% zurückgegangen und der Wachstumsbeitrag des Außenhandels entsprechend negativ ausgefallen sein. Genaue Details gibt Eurostat hier jedoch erst im Rahmen der finalen Schätzung bekannt.

Die nachfolgende Abbildung unterstreicht die oben beschriebene Entwicklung anhand der Güterexporte aus der Eurozone in die USA. Hier liegen inzwischen die Mai-Zahlen vor. Demnach schnellte die Ausfuhr in die Vereinigten Staaten – ausgehend von rund 40 Mrd. Euro am Jahresbeginn – bis März auf 66 Mrd. Euro in die Höhe, um im April/Mai wieder auf gut 40 Mrd. Euro zurückzufallen. Bemerkenswert ist dabei zum einen, dass im April/Mai kein Unterschießen stattfand, sondern lediglich eine Rückkehr zum alten Trend von 40 Mrd. Euro beobachtbar ist. Zum anderen basiert das Auf und Ab fast ausschließlich auf dem Export von Pharmaerzeugnissen, die wiederum zu einem großen Teil (zwei Drittel) aus Irland stammen.

Und damit sind wir bei den Länderergebnissen (vgl. Tabelle). Das irische BIP hatte im 1. Quartal – unter anderem wegen der kräftigen Pharma-Exporte – um 7,4% zugelegt. Im Vergleich dazu fiel der Rückprall in Q2 mit -1,0% verhalten aus. Das irische Minus war aber dennoch einer der wesentlichen Gründe für den geringen BIP-Zuwachs in der Eurozone.

Hinzu kam Deutschland, dass zu seiner Rolle als Bremser zurückkehrte. Nach moderaten BIP-Zuwächsen in den beiden Vorquartalen (+0,3% bzw. +0,2%) kam es im 2. Quartal 2025 wieder zu einer leichten Schrumpfung (-0,1%). Die größte Volkswirtschaft der Eurozone hatte im 1. Quartal ebenfalls von Vorzieheffekten profitiert, die sich nunmehr umkehrten. Destatis wies daneben noch auf ein deutliches Minus bei den Bauinvestitionen hin, blieb ansonsten aber sehr wortkarg hinsichtlich der Wachstumsstruktur.

Darüber hinaus wurden vom deutschen Statistikamt umfangreiche Revisionen in den Vorjahren bei den BIP-Zahlen vorgenommen. Sie führten dazu, dass die Wirtschaftsleistung vor allem 2023 und Anfang 2024 nach unten korrigiert wurde (vgl. nachfolgende Abbildung). Das 4. Quartal 2024 wurde jedoch um 0,4%-Punkte aufwärtsrevidiert, sodass nunmehr eigentlich bereits seit Mitte 2024 eine Erholung in Deutschland sichtbar wird. Ungeachtet dessen bewegt sich die aktuelle deutsche Wirtschaftsleistung immer noch auf dem Niveau von Ende 2019.

Nach oben gezogen wurde das BIP der Eurozone im 2. Quartal einmal mehr von Spanien, dessen BIP dem Trend der Vorquartale folgte und um 0,7% expandierte. Auf der iberischen Halbinsel (neben Spanien auch Portugal) hat sich mittlerweile ein robustes Konsum- und Investitionswachstum etabliert. Wegen seiner geringen Abhängigkeit von den US-Exporten leidet Spanien überdies vergleichsweise wenig unter dem globalen Zollstreit.

Die größte positive BIP-Überraschung kam indes aus Frankreich. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion ist zuletzt vor allem mit negativen Schlagzeilen aus der Politik und den Unternehmensumfragen aufgefallen. Laut INSEE legte die Wirtschaftsleistung in Q2 jedoch immerhin um +0,3% zu (Konsensus: +0,1%). Das Ergebnis wird allerdings dadurch relativiert, dass dafür hauptsächlich ein positiver Lagereffekt verantwortlich ist (Wachstumsbeitrag: +0,5%-Punkte). Diese Komponente ist sehr volatil und dürfte sich in den nächsten Quartalen ins Gegenteil verkehren.

Für die Eurozone insgesamt hat Eurostat wie gesagt noch keine Details zur Wachstumsstruktur präsentiert. Die Länderdaten (soweit vorhanden) weisen jedoch erwartungsgemäß durchweg einen negativen Wachstumsbeitrag des Außenhandels auf. Im Gegenzug hat in den meisten Fällen der Konsum moderat zugelegt. Die Investitionen weisen wiederum in stark unterschiedliche Richtungen: Einem deutlichen Plus in Spanien und den Niederlanden stehen unter anderem Rückgänge in Deutschland und Frankreich gegenüber.

Ausblick

Zieht man ein Fazit, ist das BIP der Eurozone im 1. Halbjahr robust gewachsen und der befürchtete Einbruch im 2. Quartal ausgeblieben. Wir sehen daher auch nachhaltig unsere BIP-Prognose für das Gesamtjahr 2025 bestätigt, die mit rund 1,4% seit Monaten erkennbar über der Konsensusschätzung liegt (+1,0%).

Im laufenden Quartal dürfte der BIP-Zuwachs zwar nochmals verhalten ausfallen (unsere Prognose: +0,2% im Vergleich zum Vorquartal), wozu nicht zuletzt die US-Strafzölle und die unverändert bestehende Zoll-Unsicherheit beitragen. Dennoch rechnen wir weiterhin mit keinem Exporteinbruch. Unter anderem lässt der OECD Leading Indicator der G20-Staaten auf anhaltend solides Wachstum der Weltwirtschaft schließen (vgl. nachfolgende Abbildung). Angesichts der Streitigkeiten mit den USA geht häufig in Vergessenheit, dass in vielen asiatischen, südamerikanischen und arabischen Ländern das Wachstum derzeit bei 3% bis 5% liegt (Indien Q1: 7,4%, Vietnam Q1: 6,9%).

Auch bei den Investitionen deutet derzeit nichts auf einen Einbruch hin. Die Kreditnachfrage im Unternehmenssektor signalisiert vielmehr solides Wachstum (vgl. nachfolgende Abbildung). Spätestens zum Ende des Jahres gehen wir überdies davon aus, dass die deutschen Fiskalimpulse wirksam werden und zu einem kräftigen Investitionsschub führen. Der konjunkturelle Aufschwung in der Eurozone sollte somit im kommenden Jahr weiter an Fahrt gewinnen.

Von Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, Bantleon AG

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