Verarbeitendes Gewerbe im Aufwind
Die August-Einkaufsmanagerumfrage der Eurozone hielt vor allem eine positive Botschaft parat: Die Industrie lässt sich von den US-Strafzöllen nicht unterkriegen. Ungeachtet der weiterhin bestehenden Unsicherheiten – speziell im Handel mit den USA – stieg der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes von 49,8 auf 50,5 Punkten und übertraf damit unsere Erwartungen und die Konsensusschätzungen deutlich (49,5 Punkte). Mehr noch, erstmals seit drei Jahren liegt der Industrie-EMI damit wieder über der Expansionsschwelle (vgl. nachfolgende Abbildung). Beim Service-EMI ist es dagegen nach den deutlichen Verbesserungen im Juni/Juli wieder zu einem leichten Rücksetzer gekommen (50,7 nach 51,0 Punkten), was indes im Einklang mit den Erwartungen stand (Konsensus: 50,8). In der Gesamtschau überwog eindeutig die Stärke der Industrie, weshalb auch der Composite-EMI von 50,9 auf 51,1 Punkte zulegte (Konsensus: 50,6; Bantleon: 50,7) – immerhin der höchste Stand seit Mai 2024 (vgl. nachfolgende Abbildung).
Die Verbesserung beim Composite-EMI wurde im laufenden Monat vor allem von den zwei größten Volkswirtschaften der Währungsunion vorangetrieben. Deutschland (50,9 nach 50,6 Punkte) hat sich mittlerweile ebenfalls oberhalb der Expansionsschwelle etabliert und liegt nunmehr nahezu gleichauf mit dem Rest der Eurozone. In Frankreich kam es nach dem Einbruch im Juli zu einer Gegenbewegung (49,8 nach 48,6 Punkten). Dessen ungeachtet bleibt die Grande Nation beim Composite-EMI Schlusslicht unter den Euroländern. Spanien ist dagegen auch in dieser Umfrage den übrigen Staaten weit enteilt (Juli: 54,7 Punkte). Hier dürfte es aber im August zu einem leichten Rücksetzer gekommen sein. Die spanischen und italienischen Ergebnisse werden wie immer erst im Rahmen der finalen Schätzung bekannt gegeben.
Kein Einbruch beim BIP
Nach der Demütigung der EU im Handelskonflikt mit den USA – die EU akzeptiert einseitig US-Strafzölle in Höhe von 15% – und den negativen Vorgaben der Stimmungsindikatoren (ZEW, Sentix) ist das Augustergebnis der Einkaufsmanagerumfrage ein erfreulicher Kontrapunkt. Die Korrelation des Composite-EMI mit dem BIP-Wachstum der Eurozone hat zuletzt zwar etwas nachgelassen, ist aber nach wie vor intakt (vgl. nachfolgende Abbildung). Was viele befürchten – einen Einbruch des BIP-Wachstums im 3. Quartal –, lässt sich aus dem Composite-EMI jedenfalls nicht ableiten. Im Gegenteil, das Barometer liefert einmal mehr ein klares Indiz für die aktuelle Resilienz der Wirtschaft der Eurozone. Die US-Strafzölle sind zwar ein Belastungsfaktor. Dieser wird aber mehr als ausgeglichen durch das an sich freundliche fundamentale Umfeld (unter anderem: günstige Finanzierungskonditionen, stabile Energiepreise, expansive Fiskalpolitik).
*Q3/2025 = Mittelwert Juli/August
Davon profitiert insbesondere das verarbeitende Gewerbe und hier wiederum speziell die größte Volkswirtschaft der Währungsunion. Der deutsche Industrie-EMI befindet sich seit Ende 2024 in einem steilen Aufwärtstrend und schnuppert nunmehr an der 50,0-Punkte-Marke (49,9 nach 49,1 Punkten). Die Auftrags- und die Outputkomponente haben diese Schwelle bereits klar übertroffen (52,1 nach 50,3 bzw. 52,6 nach 50,6 Punkten) und allesamt im August neue zyklische Höchststände erreicht (vgl. die beiden nachfolgenden Abbildungen).
Dass die Headline noch nicht die Expansionsschwelle überwunden hat, liegt einerseits an der Beschäftigungskomponente (45,9 Punkte), andererseits aber auch am Teilindex zu den Vorratslagern (44,6 Punkte), die nach wie vor knappgehalten werden. Letzteres ist aber als positives Signal zu werten, dürften sich die Unternehmen doch bei anhaltender Nachfragebelebung zu einer weiteren Produktionsausweitung gezwungen sehen. Dies spiegelt sich auch in den Produktionserwartungen wider, die sich nach wie vor auf hohem Niveau bewegen (vgl. nachfolgende Abbildung). Einziger Wermutstropfen sind die Exportaufträge, die sich laut Umfrage im August moderat abgeschwächt haben (49,1 nach 51,1 Punkten). Die Binnennachfrage scheint dies aber inzwischen zu kompensieren.
Auch in Frankreich wird nach schwierigen Jahren eine Stabilisierung in der Industrie zunehmend sichtbar. Dies zeigt nicht nur die jüngste Einkaufsmanagerumfrage, sondern unter anderem auch das Geschäftsklima der Banque de France (vgl. nachfolgende Abbildung).
Der Servicesektor ist unterdessen noch nicht richtig in Schwung gekommen. Dies ist aber auch kein Wunder, angesichts der bis zuletzt anhaltenden Verunsicherung aufseiten der Konsumenten. Das Misstrauen sollte sich jedoch in den nächsten Monaten legen. Schließlich hat sich auch das Umfeld für den privaten Verbrauch – dank anziehender Realeinkommen – spürbar aufgehellt.
Unser Ausblick
Die jüngste Einkaufsmanagerumfrage bestätigt nachhaltig mehrerer unserer zentralen Einschätzungen. Erstens befindet sich die Industrie – trotz Handelskonflikt mit den USA – in einer übergeordneten Erholungsphase. Zweitens ist das fundamentale Umfeld freundlich: Die Leitzinsen wurden kräftig gesenkt, der deutsche Staat hat ein riesiges Fiskalpaket geschnürt, die Lage bei den Rohstoffpreisen hat sich beruhigt und viele Länder außerhalb der USA/China wachsen robust (Indien, Indonesien, Brasilien, Polen etc.). Drittens zeichnet sich im 2. Halbjahr 2025 kein Einbruch beim BIP-Wachstum ab. Wir gehen daher weiterhin davon aus, dass die Eurozone im laufenden Jahr mit knapp 1,5% expandiert (Konsensus 1,1%) und im kommenden Jahr sich der 2,0%-Marke annähert (Konsensus: 1,1%). Mithin dürfte die Belebung im verarbeitenden Gewerbe am Jahresende zusätzlichen Schwung gewinnen. Dann wird der öffentliche Auftragsschub aus Deutschland erst richtig zum Tragen kommen.
Von Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, Bantleon AG
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