Abwärtskorrekturen beim Inflationsausblick
An der Zinspolitik hat die EZB im Rahmen ihrer jüngsten Notenbanksitzung erwartungsgemäß nicht gerüttelt. Sie beließ die Depositenrate bei 2,00% und den Hauptrefinanzierungssatz bei 2,15%. Im Fokus standen von vornherein die neuen Makroprognosen (siehe Tabelle unten). Auf den ersten Blick ging von diesen eine leicht taubenhafte Botschaft aus. Zwar wurde die Inflationsschätzung für 2025 im Einklang mit den jüngsten Daten leicht nach oben korrigiert (von 2,0% auf 2,1%). Dafür gab es jedoch im Jahr 2027 Abwärtsrevisionen. Die Prognose für die Headline-Rate wurde von 2,0% auf 1,9% und für die Kernrate von 1,9% auf 1,8% gesenkt. Die Kerninflationsrate liegt damit nunmehr sogar zwei Zehntel unter dem Inflationsziel. Diese weit in die Zukunft gerichteten Prognosen enthalten oftmals auch eine politische Komponente, d.h. die EZB will damit ein Signal senden. Ebenfalls überraschend wurde die Wachstumsprognose für 2026 leicht nach unten gesenkt – trotz der Widerstandsfähigkeiten im Jahr 2025.
EZB befindet sich weiter in einer »guten Position«
Im Laufe der Pressekonferenz machte Notenbankpräsidentin Christine Lagarde dann jedoch klar, dass die Währungshüter nicht den Hinweis einer Lockerungstendenz aussenden wollten. Im Gegenteil, die EZB-Chefin betonte, dass der Disinflationsprozess zum Ende gekommen sei und sich die Notenbank daher in einer »guten Position« befände. Die Inflation liege in der Nähe des Zielniveaus und die Wirtschaft verhalte sich trotz aller Störimpulse resilient. Entsprechend gibt es aus Sicht von Lagarde in der Zinspolitik keinen Anpassungsbedarf. Mit dem aktuellen Leitzinsniveau von 2,00% fühlen sich die Währungshüter mithin sehr wohl.
Darüber hinaus spielte die Notenbankpräsidentin die Abwärtskorrekturen bei der Inflationsprognose herunter. Dies seien kleine Abweichungen, die nicht allzu ernst genommen werden sollten. Der konjunkturellen Einschätzung verpassten die Währungshüter ebenfalls eine explizit positive Note: Demnach hätten die Abwärtsrisiken im Vergleich zu Juni abgenommen und würden sich nunmehr nahezu ausgeglichen darstellen. Dazu beigetragen habe auch der EU-Handelsdeal mit den USA. Lagarde hob des Weiteren die erfreuliche Entwicklung im 1. Halbjahr 2025 hervor. Das robuste Wachstum von knapp 1,5% (annualisiert) sei nicht nur auf die Vorzieheffekte aus den US-Strafzöllen zurückzuführen. Vielmehr spiegele sich darin auch eine Belebung beim Konsum und den Investitionen wider.
Alles in allem hielt Christine Lagarde am Kurs der vergangenen Monate fest. Demnach befindet sich die Geldpolitik in einem Gleichgewicht. Dies bedeute aber nicht, dass der künftige Zinspfad bei 2,00% in Stein gemeißelt sei. Sollten sich die Daten ändern, werde man natürlich darauf reagieren. Allerdings vermied es Lagarde auch an dieser Stelle, eine explizite Neigung zu Leitzinssenkungen nach außen zu tragen. Vielmehr vermittelte sie beim Zinsausblick einen völlig neutralen Eindruck.
Ein weiteres Thema im Rahmen der Pressekonferenz waren die jüngsten Ausweitungen der Risikoaufschläge von französischen Staatsanleihen. Hier ließ sich Lagarde jedoch in keiner Weise aus der Reserve locken. Ein Eingreifen der EZB stehe bisher mitnichten auf der Agenda. Als Hilfsmittel infrage käme z.B. das Transmission Protection Instrument (TPI), mit dem die EZB auf Marktverwerfungen bei den Spreads reagieren könnte. Darüber sei aber innerhalb des EZB-Rats nicht diskutiert worden. Stattdessen wies Lagarde darauf hin, dass sich die Spreads in den vergangenen Monaten übergeordnet eingeengt hätten.
Leitzins bleibt voraussichtlich bei 2,00%
Wir teilen die Einschätzungen der EZB in vielerlei Hinsicht. Beim Wachstumsausblick sind wir sogar noch optimistischer und gehen davon aus, dass die Fiskalimpulse stärker zum Tragen kommen werden, als es die Notenbanker unterstellen. Entsprechend halten wir ein Wachstum von annähernd 2,0% im kommenden Jahr für realistisch. In der Folge dürfte aber auch der Inflationsdruck 2026 wieder zunehmen. Wir sehen die Inflation (im Mittel) daher eher leicht über als unter 2,0%.
Die Argumente für zusätzliche Leitzinssenkungen werden demzufolge in unseren Augen in den nächsten Monaten abnehmen. In unserem Basisszenario rechnen wir entsprechend für längere Zeit mit einem unveränderten Leitzins von 2,00%. Mehr noch, im nächsten Jahr sollte die Debatte über geldpolitische Straffungen in den Fokus rücken.
Ein Risikoszenario zu diesem Zinsausblick ist, dass der Handelskonflikt mit den USA erneut an Schärfe gewinnt und dadurch die Wirtschaft der Eurozone ausgebremst wird. Dann würde die EZB doch nochmals die Geldpolitik lockern müssen. Außerdem könnte die Fed die Frankfurter Währungshüter mit aggressiven Leitzinssenkungen unter Druck setzen. Beiden Risikoszenarien zusammen ordnen wir aber nur eine Wahrscheinlichkeit von 30% zu.
Von Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, Bantleon AG
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