Online-Handel als Zugpferd
Die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze in den USA hat zum dritten Mal in Folge positiv überrascht (vgl. nachfolgende Abbildung links). Im August legten sie nominal um 0,6% zu (nach +0,6% im Juli und +1,0% im Juni, jeweils im Vergleich zum Vormonat) und damit deutlich stärker als erwartet (Konsensus: +0,2%, Bantleon: +0,1%). Dies galt auch für die sogenannte Kernreihe (ohne Restaurants, Autos, Tankstellen und Baumärkte), die unmittelbar in die BIP-Statistik einfliesst. Hier Betrug das Plus 0,7% (nach +0,5% und +0,9%). Besonders stark präsentierte sich erneut der Online-Handel. Nach zahlreichen Promotionen in den Vormonaten war hier eigentlich eine Gegenbewegung überfällig. Stattdessen fiel der Zuwachs mit +2,0% sogar so gross aus wie seit einem Jahr nicht mehr. Auch die Auto- und Bekleidungsverkäufe (+0,5% bzw. +1,0%) blieben erstaunlich robust. Etwas schwächer entwickelten sich die Umsätze im Bereich Gesundheit (-0,1%) und Möbel (-0,3%).
Insgesamt haben sich die Einzelhandelsumsätze von ihrer Schwächephase zu Beginn des 2. Quartals (April: -0,1%, Mai ‑0,8%) gut erholt und sind wieder in den alten Aufwärtstrend eingeschwenkt (vgl. vorangehende Abbildungen). Sie haben damit auch der zuletzt mässigen Verbraucherstimmung getrotzt (vgl. nachfolgende Abbildung). Allerdings wird der neue Schwung dadurch etwas relativiert, dass zuletzt auch die Inflation angezogen hat. Ein Teil der nominellen Umsatzzuwächse spiegelt daher nichts anderes als die jüngsten Preissteigerungen wider.
Reales Konsumwachstum nicht ganz so eindrucksvoll
In realer Rechnung dürfte das Plus im Einzelhandel deutlich moderater ausfallen. Wir rechnen daher auch bei den realen Konsumausgaben im August lediglich mit einem Zuwachs von 0,1% bis 0,2% (nach +0,3% im Juli). Für das 3. Quartal insgesamt zeichnet sich damit nach unseren Berechnungen beim privaten Verbrauch ein Anstieg von 1,5% bis 2,0% ab (nach 1,6% im 2. Quartal, vgl. nachfolgende Abbildung). Damit sehen wir uns nachhaltig in unserer Einschätzung bestätigt, dass das Konsumwachstum zwar nicht mehr die dynamischen Niveaus vom 2. Halbjahr 2024 erreicht, aber immer noch solide expandiert. Oder anders ausgedrückt: Die Konsumenten spüren den Gegenwind der Trump’schen Politik (steigende Teuerung und Arbeitslosigkeit), lassen sich dadurch aber nicht entmutigen.
Wir wollen nicht ausschliessen, dass um die Jahreswende (Q4/25 bzw. Q1/26) – wegen der steigenden Teuerungsraten – das Konsumwachstum nochmals temporär auf 1,0% absackt. Mit Blick weiter voraus sind wir aber zuversichtlich, dass die Konsumnachfrage wieder anzieht. Dies ist auch das Fazit für die gesamte US-Konjunktur: Kurzfristig besteht noch das Risiko für ein vorübergehende Delle. Mittelfristig hellen sich aber die Perspektiven auf.
Moderate Zinssenkungen gerechtfertigt – aber eigentlich nicht mehr
Für die Fed liefern die robusten Daten vom Einzelhandel kein zusätzliches Argument für ein forsches Vorgehen bei den Zinssenkungen. Vielmehr unterstreichen die Zahlen einmal mehr, dass sich die US-Konjunktur derzeit solide hält. Damit bleiben auch die Risiken für den US-Arbeitsmarkt begrenzt. Sollte sich das US-Wachstum in den nächsten Quartalen in der Nähe der Potentialrate (2,0%) bewegen, ist mithin nur ein moderater Anstieg der Arbeitslosenquote zu erwarten. Für die Fed gibt es damit zwar gute Argumente, um die Leitzinsen in den neutralen Bereich (ca. 3,50%) zu senken. Ein Vorstoss in expansives Territorium ist aber eigentlich nicht notwendig. Wir gehen daher davon aus, dass die Fed im Rahmen der morgigen Sitzung den Zinssenkungszyklus wieder aufnimmt, dabei aber in gemässigtem Tempo (25 Bp) vorgeht und das Zielniveau der US-Notenbank für die nächsten zwölf Monate bei 3,50% bis 3,75% liegt (ausgehend von aktuell 4,25% bis 4,50%).
Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, Bantleon AG
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