Die Anleihenrenditen im kurzen und mittleren Laufzeitenbereich sind jüngst wegen des zunehmenden Optimismus in Bezug auf Leitzinssenkungen der Fed gefallen. US-Treasuries entwickelten sich währungsgesichert deutlich besser als deutsche Bundesanleihen. Die Renditedifferenz zwischen 5-jährigen US-Treasuries und 5-jährigen Bundesanleihen – der sogenannte Transatlantik-Spread – fiel in der Folge auf ein zyklisches Tief von 1,3%-Punkten (von ursprünglich 2,3%-Punkten am Jahresanfang). Investoren waren daher gut beraten, währungsgesichert in US-Treasuries zu investieren und Bundesanleihen zu meiden. Bis September hatten insbesondere Renditen lang laufender Anleihen wichtiger Staatsanleihenmärkte wie Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan einen enormen Anstieg verzeichnet. Das Management der Zinskurve hat deshalb für Investoren deutlich an Relevanz gewonnen.
Nachfrage nach US-Treasuries hat kaum zugenommen
Die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den USA ist angesichts der robusten Konjunkturdynamik in den vergangenen Monaten weiter bis auf 7% gefallen – gemäß der US-Wettplattform Polymarket lag sie Ende Mai noch bei fast 70%. Aktuell scheinen sich die Zölle auf die Konjunktur eher moderat auszuwirken. Entsprechend kann die Fed die Zinsen nun geordnet und proaktiv senken. Überraschenderweise hat die Nachfrage nach US-Treasuries gemäß US-CFTC-Daten kaum zugenommen. So ist der Anteil an Long-Positionen zu den insgesamt ausstehenden Kontrakten im 10-jährigen Treasury-Future seit April nur von 23% auf 30% gestiegen. Im 2-jährigen Future ist sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Dies dürfte auch an der allgemein gestiegenen Skepsis gegenüber US-Treasuries liegen und reflektiert die anhaltende Rotation der Notenbank-Bestände von US-Treasuries in Gold.
Relative Attraktivität von Anleihen könnte steigen
Gleichzeitig ist die Volatilität von US-Treasuries, gemessen am MOVE-Index, auf Niveaus gefallen, die zuletzt im Frühjahr 2022 zu beobachten waren. Die erwarteten Zinssenkungen der Fed scheinen die Volatilität am Anleihenmarkt allmählich zu reduzieren. Sollte sich der Trend fortsetzen, würde die tiefere Volatilität die relative Attraktivität von Anleihen zu anderen Assetklassen erhöhen, was eine höhere Allokation in Portfolios rechtfertigt. Voraussetzung dafür wäre jedoch eine Verbesserung der Verschuldungssituation. Erst dann wären Anleihen wieder eine attraktive Alternative zu Gold. Bis dahin ist damit zu rechnen, dass Gold gegenüber Anleihen präferiert wird, was durch die Gold-CFTC-Daten bestätigt wird.
Risiko-Ertrags-Profil spricht für Anleihen
Relativ zu (Dividenden-)Aktien bieten Anleihen nach wie vor das attraktivere Risiko-Ertrags-Profil. Während der Eurostoxx, der die rund 300 liquidesten Aktien umfasst, eine erwartete Dividendenrendite von 3,10% liefert, ist mit einem breiten EUR-Anleihenportfolio eine fast gleich hohe Rendite auf Endfälligkeit von 2,80% zu erzielen. Mit einem Portfolio aus europäischen Investment-Grade-Unternehmensanleihen muss gegenüber der Dividendenrendite kein Abschlag hingenommen werden. Bei amerikanischen Aktien und Anleihen zeigt sich ein ähnliches Bild. So ist für den »Dow Jones Select Dividend Index« eine Dividendenrendite von 4,30% zu erwarten, während ein breites US-Anleihenportfolio eine exakt gleiche Rendite auf Endfälligkeit erwirtschaftet. Aus dieser Perspektive sind Anleihen – wegen ihrer historisch betrachtet geringeren Volatilität – klar gegenüber Aktien zu bevorzugen.
Verkaufssignal für US-Treasuries
Charttechnisch sind die 10-jährigen US-Treasury-Renditen jüngst an der 4%-Marke abgeprallt. Nach der fulminanten Zinsrallye im September ist es den Renditen nicht gelungen, die wichtige Marke zu unterschreiten. Stattdessen haben die Treasury-Renditen zu einer Gegenbewegung angesetzt, weshalb kurzfristig mit einem Anstieg bis auf 4,20% zu rechnen ist. Dort treffen die 10-jährigen Renditen auf die Abwärtstrendlinie, die zunächst halten dürfte. Durchbrechen die Renditen die Abwärtstrendlinie nach oben, so wäre der Weg bis auf die 200-Tage-Linie bei 4,37% frei. Das Momentum ist kurzfristig aufwärtsgerichtet, was durch das Verkaufssignal im MACD und die Bollinger-Bänder für US-Treasuries reflektiert wird. Auch der reagiblere exponentielle Moving Average deutet auf ein Verkaufssignal für US-Treasuries hin. Vorerst ist aber nur mit einer temporären Gegenbewegung infolge der Zinsrallye zu rechnen und nicht mit einem markanten Zinsanstieg.
Renditen deutscher Bundesanleihen dürften weiter steigen
Die Renditen 10-jähriger deutscher Bundesanleihen folgten der US-Treasury-Bewegung, wobei sich das Chartbild deutlich unterscheidet: Während sich die Treasury-Renditen noch immer in einem Abwärtstrend befinden, sind die 10-jährigen Bund-Renditen seit Juni im Aufwärtstrend. Entsprechend ist damit zu rechnen, dass sie diesen Trend fortsetzen und der Transatlantik-Spread weiter schrumpft. Von einer Trendumkehr kann erst bei einer deutlichen Unterschreitung der 2,70%-Marke gerechnet werden. Dann wäre der Weg bis auf 2,50% frei. Auf eine starke Widerstandslinie dürfte die Rendite erst bei einer Marke von 2,95% (zyklisches Hoch) treffen. Entsprechend ist mit einer Fortsetzung des Aufwärtstrends zu rechnen.
Das charttechnische Bild ist für beide Märkte zunächst negativ zu werten. Bei US-Treasuries muss die wichtige Renditemarke von 4,00% zunächst unterschritten werden, um eine Fortsetzung des Abwärtstrends zu ermöglichen. Das Momentum für die Bund-Renditen ist aufwärtsgerichtet und bestärkt die Aufwärtstrenddynamik. Entsprechend ist kurzfristig mit einem weiteren Anstieg der Renditen zu rechnen.
Von Marcio Costa, Senior Portfolio Manager bei BANTLEON
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