Voller Entsetzen erlebte die Welt den russischen Einmarsch in die Ukraine. Bis auf wenige Ausnahmen funktionierten die Finanzmärkte aber weiterhin recht gut. Die vielen direkten und indirekten Folgen dieser weltpolitischen Krise fanden Eingang in die Kurse.
In den heutigen CIO Weekly Perspectives möchte ich kurz die Marktreaktion und deren wichtigste Auswirkungen beschreiben. Danach folgt ein Statement unseres CEO George Walker, mit dem er uns allen bei Neuberger Berman aus der Seele spricht.
Lokalwährungsanleihen
Die dramatischste und unmittelbarste Folge der Invasion und der internationalen Sanktionen ist der faktische Stillstand der russischen Lokalwährungsanleihenmärkte – wegen der Restriktionen für die russische Zentralbank, der Sanktionen gegen Banken, der Maßnahmen von Börsen und Aufsichtsbehörden und nicht zuletzt der Antwort der russischen Regierung.
Russland wurde damit – wenig überraschend – zu einem traurigen Präzedenzfall: In nur einer Woche stürzte das Staatsanleihen-Rating von Investmentgrade auf CCC ab
Fremdwährungsanleihen
Der russische Lokalwährungsanleihenmarkt steht also faktisch still. Manche Fremdwährungs- und Unternehmensanleihen werden aber weiter gehandelt, allerdings nur sehr begrenzt und mit sehr hohen Geld-Brief-Spannen. Die Liquidität hält sich sehr in Grenzen.
Russische Anleihen sind bewertet wie bei einem drohenden Zahlungsausfall – und den halten wir auch für sehr wahrscheinlich.
Letztlich meinen wir, dass russische Anleihen wegen ihrer offensichtlichen ESG-Defizite (Umwelt, Soziales, Corporate Governance) aus dem Anlageuniversum ausgeschlossen werden sollten.
Emerging Markets insgesamt
Bis zum russischen Angriff waren die Emerging-Market-Spreads dieses Jahr sehr stabil. In den letzten Tagen hat sich der Indexspread dann aber um gut 100 Basispunkte ausgeweitet. Länder, die weit vom Kriegsgebiet entfernt sind, hielten sich dabei deutlich besser.
So haben sich die Spreads lateinamerikanischer Staatsanleihen im Schnitt nur um etwa 20 Basispunkte ausgeweitet. Auch glauben wir, dass sich die Anleihen weit entfernter rohstoffexportierender Länder besser halten, vor allem, wenn sie sich weitgehend selbst mit Lebensmitteln versorgen können.
Industrieländer
Die Leitzinserwartungen in den Industrieländern haben sich drastisch verändert.
Mit kurzfristigen Zinserhöhungen der EZB rechnet am Markt jetzt niemand mehr, und in den USA werden für dieses Jahr wieder nur noch vier Zinsschritte erwartet. Letzte Woche hat Notenbankchef Jerome Powell faktisch garantiert, dass der erste, für diesen Monat erwartete Zinsschritt nur 25 statt 50 Basispunkte betragen wird.
Inflation
Für das größte wirtschaftliche Risiko der Krise halten wir die durch steigende Energiepreise verstärkte Inflation.
Die Inflation war schon vorher ein Problem. Sie war Thema vieler Perspectives in den letzten sechs Monaten und auch einer neuen Webinarserie unserer Investmentteams. Wir glauben, dass die Teuerung weiter steigt und lange hoch bleiben wird.
Auch wenn die Energiepreise die Schlagzeilen beherrschen, machen die Lebensmittelpreise ebenfalls immer mehr Sorgen. Ein Viertel der weltweiten Weizenexporte und ein Siebtel der Maisexporte entfallen auf Russland und die Ukraine. Außerdem ist Russland der weltweit führende Düngerproduzent.
Wachstum
Die zuvor recht guten Weltwirtschaftsprognosen werden drastisch gesenkt. Nach wie vor halten wir es aber für das Wahrscheinlichste, dass die Wirtschaft wegen ihres starken Momentums mit den Preisschocks fertigwerden kann.
Die Einschätzungen können sich schnell ändern – je nachdem, wie teuer Energie und Lebensmittel noch werden. Wir möchten allerdings betonen, dass die Credit Spreads in den Industrieländern bislang nur wenig gestiegen sind. So liegen die amerikanischen High-Yield-Spreads noch immer unter 400 Basispunkten. Außerdem können die Unternehmen noch immer relativ uneingeschränkt Anleihen begeben. Letzte Woche wurden in den USA zahlreiche Investmentgrade-Anleihen im Wert von insgesamt 53 Milliarden US-Dollar emittiert. Diese Woche werden weitere 50 Milliarden US-Dollar erwartet.
Als wir letzten November in Solving for 2022 für dieses Jahr mehr staatliche Interventionen in die Wirtschaft und eine höhere Volatilität prognostizierten, haben wir natürlich nicht mit einem Krieg gerechnet. Umsomehr halten wi abertaktische und flexible Anleiheninvestitionen jetzt weiterhin für wichtig . Entscheidend wird wieder die Einzelwertauswahl sein.
Die heutigen CIO Weekly Perspectives stammen von Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman
An der Seite der Ukraine
Abschließend einige Worte unseres CEO George Walker:
„In diesen Zeiten steht Neuberger Berman fest an der Seite der Ukraine und aller, die den Kriegsflüchtlingen helfen. Neuberger Berman ist nur sehr wenig in Russland investiert. Wir haben unsere Kunden auch darüber informiert, dass wir Einflussnahme und Engagement grundsätzlich für besser halten als den pauschalen Verkauf von Positionen. In der derzeitigen Situation investieren wir aber nicht direkt in russische Wertpapiere und verzichten auch auf andere Anlagen in Russland. Von unseren sehr kleinen Russland-Positionen trennen wir uns, sobald das möglich ist.
Der Mut und die Tapferkeit des ukrainischen Volkes und Präsident Selenskyjs sind für uns eine Inspiration. Unsere Gedanken und Gebete sind bei allen, deren Leben Wladimir Putin rücksichtlos zerstört. Dazu zählen auch die vielen Russen, die diesen Krieg ablehnen, aber ebenfalls stark darunter leiden.“
Events
Melden Sie sich hier zu unserem exklusiven Lunch im Hyatt Park Wien an.
Mittwoch, 6. April 2022, 12:30 – 13:30 Uhr
Besuchen Sie unseren Vortrag mit Jeroen Brand beim Fonds Kongress in Wien
Donnerstag, 7. April 2022, 12:30 Uhr in Saal 6