"Der Markt geht aktuell davon aus, dass die EZB ihren Leitzins am Donnerstag nur um etwa 40 Basispunkte anhebt. Allerdings, glauben wir, dass die Währungshüter weiterhin bei dem ursprünglich erwarteten Zinsschritt von 50 Basispunkten bleiben. Der Ausfall einer kalifornischen Bank ist ein lokaler Vorfall in den USA, wo Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 250 Milliarden Dollar nicht unter der strengen Aufsicht der Regulierungsbehörden stehen. In der Eurozone haben wir eine andere Situation, da hier alle Banken vollständig kontrolliert werden."
Dazu, wie sich die aktuellen Konjunktur- und Arbeitsmarktzahlen auf die Entscheidung der Notenbanken auswirken könnte, meint er:
"In den USA hat das starke Wachstum zu einer angespannten Arbeitsmarktlage geführt, so dass im letzten Jahr ein Spillover der Inflation auf die Löhne eingesetzt hat. In der Eurozone ist dies noch nicht der Fall. Hier bleiben die Lohnerhöhungen sowohl zeitlich als auch von ihrem Ausmaß weit hinter dem Anstieg der Inflation zurück. Dazu kommt, dass sich die Konjunktur vor allem im südlichen Europa im vergangenen Jahr gut entwickelt hat. Ein Grund dafür sind auch staatliche Mittel, um die Energiekosten für die Haushalte zu begrenzen. Dies könnte sich in den kommenden Monaten umkehren, da einige der Programme auslaufen."
Patrick Barbes Einschätzung dazu, auf welchem Niveau sich der Leitzins mittelfristig einpendeln wird:
"US-Präsident Joe Biden betonte erst kürzlich die Widerstandsfähigkeit der US-Konjunktur, vor allem, weil es gelungen ist, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, als erwartet – einer der Schlüsselfaktoren für den Inflationsdruck. Sollte die Inflationsentwicklung so weitergehen, muss die Fed mehr tun. In der Eurozone befindet sich die Wirtschaft immer noch nahe einer Rezession. In Spanien und Deutschland hat bereits der Stellenabbau begonnen. Die EZB sollte überlegen, ob es gerechtfertigt ist, den Leitzins weiter zu erhöhen, wenn sie sich bereits in einem restriktiven Bereich befinden. Bei ihrer Entscheidung muss die EZB auch eine zeitliche Verzögerung der Auswirkungen ihrer Politik berücksichtigen. Eine erste Auswirkung ist, dass die Geschäftsbanken ihre Kreditkonditionen erheblich verschärft haben. Wir gehen daher davon aus, dass die EZB nach März ihre Zinserhöhungen auf 25 Basispunkte reduzieren wird. Je nachdem welche wirtschaftlichen Folgen der Ausfall der Silicon Valley Bank mit sich bringt könnte sich der Leitzins dann bei 3,5 Prozent oder darunter einpendeln."
Weitere Themen, die Patrick Barbe und sein Team am Donnerstag besonders im Auge behalten werden, sind:
"Es gibt einige wichtige Themen, die wir bei der Sitzung diese Woche im Auge behalten werden. Erstens erwarten wir, dass die EZB ihre optimistische Wirtschafts- und pessimistische Inflationsprognose vom Dezember aktualisiert. Die Höhe des von der EZB angestrebten Höchstsatzes dürfte von der Aktualisierung ihrer mittelfristigen Kerninflationsprognose vom letzten Dezember abhängen, die für 2024 auf 2,8 Prozent und für 2025 auf 2,4 Prozent gestiegen ist. Zweitens erwarten wir, dass die EZB das Ende ihres Anleihen-Reinvestitionsprogramms für den Sommer ankündigt. Wir glauben, dass ihre Priorität nun eher auf der Reduzierung ihrer Bilanz als der Anhebung der Zinsen liegt.“