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Vielleicht ist es an der Zeit sich bei Aktien nicht mehr nur auf die USA zu fokusieren, vor allem bei weiteren Anzeichen für einen Konjunkturaufschwung. Neuberger Berman | 10.04.2024 14:59 Uhr
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Vor einem Monat schrieb ich über die zweite Welle des Investmentthemas Künstliche Intelligenz – und darüber, dass sich dann wohl nicht mehr alles auf die Magnificent Seven konzentrieren wird.

Als Beispiele nannte ich einige andere aussichtsreiche US-Aktien. Aber was wäre, wenn nicht nur sie aufholten, sondern die Marktbreite generell zunähme?

Was würde es für die Länderallokation bedeuten, wenn sich Anleger nicht mehr nur für eine Handvoll hochbewerteter, defensiver und hochkapitalisierter Technologieaktien interessierten, sondern für eine Vielzahl günstig bewerteter konjunktursensitiver Titel?

Fundamentale Unterstützung

Anleger werden wohl nur dann in großem Stil außerhalb der USA investieren, wenn es dafür handfeste fundamentale Argumente gibt. Im Grunde ist es keine Überraschung, dass US-Aktien in den letzten Jahren vorn lagen. Schließlich ist das US-BIP um mehr als einen Viertel gewachsen, während die übrigen Länder meist stagnierten.

Wir glauben, dass sich diese Wachstumslücke in den nächsten Jahren zumindest teilweise schließen könnte – denn sie hat auch mit der äußerst expansiven amerikanischen Geld- und Fiskalpolitik seit Beginn der Pandemie zu tun. Deren Wirkungen lassen nach, aber ein Haushaltsdefizit von 6% des BIP macht weitere Ausgabenprogramme schwierig.

Dagegen kann die EU noch immer 750 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds ausgeben – und weil das Haushaltsdefizit der Mitgliedsländer im Schnitt nur etwa 3% beträgt, hat die nationale Fiskalpolitik ebenfalls mehr Spielraum. Auch die neue Bedeutung der militärischen, energetischen und wirtschaftlichen Sicherheit – Stichwort Lieferketten – dürfte zu höheren Staatsausgaben führen.

Immer mehr spricht dafür, dass Europa die Zinsen früher senkt als die USA. Die Schweizerische Nationalbank gab letzten Monat den Startschuss, und selbst Vertreter der eher zögerlichen Europäischen Zentralbank deuten jetzt eine Zinssenkung im Juni an.

Hinzu kommen die Inflationszahlen der letzten Woche. Sowohl die Gesamtteuerung als auch die Kernrate sind im März gefallen und lagen unter den Prognosen der Volkswirte. Die US-Inflation war zuletzt hingegen hartnäckiger. Während Investoren nicht mehr fest mit drei Zinssenkungen der Fed in diesem Jahr rechnen, erwarten sie für den Euroraum jetzt genau das.

Eine lockerere Geld- und Fiskalpolitik kann die vielleicht schon jetzt einsetzende Erholung der Weltwirtschaft weiter stützen.

Der Welt-Einkaufsmanagerindex (PMI) für das Verarbeitende Gewerbe zeigt seit Jahresbeginn wieder Wachstum an. Der europäische Index signalisiert zwar noch eine Kontraktion, hat sich aber in den letzten sechs Monaten kräftig erholt. Selbst der chinesische Index signalisiert trotz der zuletzt schwachen Konjunktur wieder eine Expansion; er stieg auf den höchsten Wert seit 13 Monaten. Eine anhaltend expansive Politik könnte der chinesischen Konjunktur helfen, sodass das Wachstumsziel vielleicht noch erreicht wird. Das wäre wiederum gut für die europäische Industrie.

Günstige Bewertungen und Konjunktursensitivität

Doch welche Märkte können interessant sein, wenn sich die Konjunktur erholt?

Zwei Faktoren scheinen uns hier wichtig: günstige Bewertungen und Konjunktursensitivität. Gibt es in den USA konjunktursensitive Aktien? Natürlich. Aber in anderen Weltregionen gibt es mehr davon – und günstiger bewertet sind sie auch.

Auf Basis der erwarteten Gewinne beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des MSCI USA 21, das des MSCI Japan aber nur 16. In Japan ist der Technologieanteil nur etwa halb so hoch wie in den USA. Entsprechend höher sind die Anteile von zyklischen Aktien wie Industriewerten (mehr als doppelt so viele wie im US-Index), Konsumgebrauchsgüterwerten (fast doppelt so viele) und von Grundstofftiteln (ebenfalls fast doppelt so viele).

Viel wird über die Erholung japanischer Aktien geschrieben – wegen der hohen Gewinne, aber auch wegen der neuen japanischen Geldpolitik und der aufsichtsrechtlichen Reformen. Das Comeback Europas machte weniger Schlagzeilen, auch weil es schwächer war.

Auch deshalb scheint der MSCI Europe Index mit einem KGV von gerade einmal 14 noch günstiger bewertet zu sein als Japan. In Europa ist der Technologieanteil fast viermal kleiner als in den USA. Konsumgebrauchsgüter sind in Europa zwar wichtig, doch fällt vor allem der höhere Anteil von Finanz-, Industrie- und Grundstoffwerten auf.

Europas Erholung mag sich zwar in Grenzen gehalten haben und jetzt unterschätzt werden, aber in China fiel der Aufschwung fast vollständig aus. Nur wenige Emerging-Market-Investoren scheinen China überhaupt etwas zuzutrauen. Die meisten bevorzugen Indien.

Wir meinen hingegen, dass Wirtschaft und Märkte in Indien völlig anders sind als in China und China in gewisser Weise ergänzen. Wegen des großen Interesses an Indien ist der MSCI India mit einem KGV von 22 (auf Basis der erwarteten Gewinne) heute sogar noch teurer als der US-Index. Außerdem verbessern sich Chinas Konjunkturdaten allmählich und das KGV beträgt gerade einmal 9.

Aus der Mode

Diese Woche werden wir unseren aktuellen Asset Allocation Committee Outlook vorlegen. Ein wichtiges Thema ist unser wachsender Optimismus für die Weltwirtschaft, ein anderes unsere geringe Begeisterung für den S&P 500, der oft als Proxy für risikobehaftete Titel gilt. Wir glauben, dass er einfach zu sehr von einigen wenigen hochbewerteten Aktien dominiert wird.

Wir halten hingegen breitere Anlagen für sinnvoll, um von der Konjunktur zu profitieren. Dazu investieren wir in Stile und Regionen, die zuletzt nicht in Mode waren. Japan war jahrzehntelang nicht gefragt. Noch halten wir es aber nicht für zu spät, um vom japanischen Comeback zu profitieren. Die Erholung Europas hat vielleicht gerade erst begonnen. Für jemanden, der wirklich antizyklisch investieren will, könnte auch China interessant sein.

Seit 18 Monaten bestimmen immer weniger Einzelwerte den Aktienmarkt. Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, sich wieder breiter aufzustellen.

Von Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman

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