CIO Weekly | Dollar und Euro: Auf dem Weg zur Parität?

Warum es bis zur Parität noch dauern kann – und sich dabei bessere Einstiegszeitpunkte ergeben. Neuberger Berman | 27.11.2024 11:05 Uhr
Brad Tank, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income und Ashok Bhatia, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Brad Tank, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income und Ashok Bhatia, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

2025 rechnen wir mit einem stärkeren Dollar und einem schwächeren Euro. Aber das tun fast alle – und deshalb kann man mit dieser Erkenntnis vermutlich nicht mehr viel verdienen.

Wir glauben deshalb, dass sich Anleger beim Dollar noch zurückhalten sollten. Der Euro könnte auf dem Weg zur Parität sein, aber nicht sofort. Weil außerdem Volatilität droht, könnten sich noch bessere Einstiegszeitpunkte ergeben. Unwahrscheinlich, aber auch nicht völlig auszuschließen, ist auch eine entgegengesetzte Entwicklung.

Zölle

Die ersten Einkaufsmanagerindizes nach den US-Wahlen haben bestätigt, dass die amerikanische Wirtschaft sehr viel stärker wächst als die europäische.

Dabei dürfte es bleiben, teils, weil zunächst keine größeren Konjunkturprogrammen in Europa oder China (Europas wichtigstem Exportmarkt) zu erwarten sind, teils wegen der Zollpläne der nächsten US-Regierung.

Es kann dauern, bis wir Einzelheiten und Ausmaß der neuen US-Zölle kennen. Eines steht aber fest: Schon allein die Unsicherheit kann der Wirtschaft in den möglicherweise betroffenen Ländern schaden. Auch ist bekannt, dass der Dollar nach Trumps erster Wahl zum Präsidenten aufwertete – und um weitere 11% zulegte, als er Zölle gegen China verhängte.

Zwar dürfte sich Trumps Protektionismus einmal mehr gegen China richten, doch könnte Europa diesmal stärker betroffen sein. Man rechnet mit Zöllen auf europäische Exporte in die USA in einer Zeit, in der Europas Industrie stärkerer chinesischer Konkurrenz ausgesetzt ist, weil China das nachlassende US-Geschäft ausgleichen möchte. Eine Handelsvereinbarung zwischen den USA und der EU könnte helfen, aber dann müsste Europa wohl mehr amerikanisches Erdgas kaufen – und Dollar, um das Gas zu bezahlen. Das könnte den Druck auf den Euro weiter erhöhen.

Diese Entwicklungen haben auch Einfluss auf die Zinsen. Man geht davon aus, dass die US-Leitzinsen im laufenden Senkungszyklus stets um etwa 150 bis 200 Basispunkte über den EZB-Zinsen liegen. Die Fed fürchtet vor allem eine hartnäckige Inflation, die EZB mehr und mehr ein schwächeres Wachstum. Auch das macht den Dollar für Anleger attraktiv. 2014 führten ähnliche Zinsunterschiede zu einer 25-prozentigen Aufwertung.

Konjunkturprogramme

Warum sind wir aber dennoch vorsichtig?

Zunächst einmal wegen des aktuellen Wechselkurses: Mit 1,04 Euro je Dollar ist die Parität zwar nicht mehr weit entfernt, aber Long-Positionen im Dollar sind nach den Wahlen noch immer sehr häufig. Fast alle klassischen Bewertungsmaße, einschließlich der Kaufkraftparität, lassen die US-Währung teuer erscheinen. Hinzu kommt, dass der Leistungsbilanzüberschuss des Euroraums für eine strukturelle Nachfrage nach Euro sorgt. Außerdem ist der Dollar in 

acht der letzten zehn Jahre im Dezember gefallen (allerdings mit einer Ausnahme: 2016, nach Trumps erstem Wahlsieg).

Mittelfristig könnten Unternehmen auf drohende Zölle mit vorgezogenen Bestellungen reagieren und in Europa einen Scheinboom auslösen. Auch China könnte den Markt überraschen – mit einem Konjunkturprogramm, das die Wirtschaft nicht nur stabilisiert, sondern wirklich fördert. Zurzeit ist das zwar unwahrscheinlich, und ein binnenorientiertes Konjunkturprogramm nützt Europa wohl auch nicht viel. Möglich ist es aber trotzdem.

Auch Deutschlands Wahlen im Februar könnten dem Dollar schaden. Die letzte Koalition ist an unüberwindbaren Meinungsverschiedenheiten über die Haushaltspolitik gescheitert. Die nächste Regierung dürfte kaum die Schuldenbremse abschaffen, aber viel spricht dafür, dass die Wähler eine zu restriktive Fiskalpolitik nicht schätzen. Währungsstrategen werden in den nächsten drei Monaten daher genau darauf achten, was CDU-Kandidat Friedrich Merz, der wahrscheinlichste Wahlsieger, zu sagen hat.

Und dann ist da noch die Ukraine. Nach den Ereignissen der letzten Woche dürften die Risiken hier eher zunehmen. Beide Seiten versuchen, sich für mögliche Verhandlungen nach Trumps Amtsantritt eine gute Ausgangsposition zu verschaffen. Das könnte dem Dollar ebenfalls helfen. Wenn dann aber ein Friedensvertrag geschlossen wird und der Wiederaufbau finanziert werden muss – vielleicht durch eine Euro-Gemeinschaftsanleihe, während Deutschland zugleich die Fiskalpolitik lockert – könnten Baugewerbe und Industrie in Europa zu den Gewinnern zählen. Auch das ist zurzeit nicht sehr wahrscheinlich, sollte aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden.

Auf der Dollarseite wiederum besteht das Risiko, dass die neue US-Administration die eigene Währung schwächen will, damit die Zölle noch besser wirken. Natürlich darf man auch das US-Haushaltsdefizit nicht übersehen. Die Nachhaltigkeit der US-Staatsfinanzen dürfte aber eher 2026 als 2025 zu einem großen Thema werden. Dennoch könnten die Diskussionen darüber schon zu Beginn von Trumps Präsidentschaft einsetzen.

Ein zu breiter Konsens

Ist der US-Konjunkturausblick also gut? Wir meinen, ja. Steht Europa vor großen konjunkturellen, strukturellen und (welt-)politischen Herausforderungen? Ganz bestimmt. Wird das Auswirkungen auf die Wechselkurse haben? Höchstwahrscheinlich.

Aber es kann auch ganz anders kommen. Vielleicht ist man sich all dieser Entwicklungen zu sicher. Wenn der Euro auf die Parität fällt, dann wohl kaum linear. Vor allem die nächsten drei Monate könnten sehr volatil werden.

Von Ashok Bhatia, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income, Brad Tank, Co-Chief Investment Officer – Fixed Income und Fredrik Repton, Senior Portfolio Manager – Currencies, Neuberger Berman

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