Gerade erst schrieben wir, dass man die Widerstandsfähigkeit des US-Konsums nicht unterschätzen darf. Das starke Einkommenswachstum und die Vermögenseffekte durch steigende Aktienkurse und Immobilienpreise stärken Kauflaune und Konsumklima – und das trotz der Unsicherheit durch Trumps Zollpolitik. Schwächere Wachstumserwartungen führten in letzter Zeit zwar zu Marktvolatilität, aber das ist jetzt weitgehend vorbei.
Kurz vor Beginn der zweiten Jahreshälfte scheinen sich die Konjunkturdaten aber mehr und mehr zu widersprechen. Steht der US-Konjunktur die Wende bevor? Einerseits steigen die Löhne (mit 0,4 Prozent zum Vormonat und 3,9 Prozent zum Vorjahr im Mai) stärker als die Preise (0,1 Prozent zum Vormonat, 2,8 Prozent zum Vorjahr im Mai), was nach wie vor vielen Verbrauchern hilft. Andererseits legen aber auch die Folgeanträge auf Arbeitslosengeld etwas zu (gut 1,9 Millionen im Mai nach 1,75 Millionen Ende 2024).
Offensichtlich brauchen Arbeitslose jetzt länger, um eine neue Stelle zu finden.
Was wird sich am Ende durchsetzen, und welchen Reim können sich Anleger darauf für die Entwicklung von Wirtschaft und Aktien machen? Wir glauben, dass es auf den Unternehmenssektor ankommt.
Pessimistische CEOs, aber keine Entlassungen: Warum?
Letzten Monat schrieben wir, dass die Unternehmen zuletzt so wenige Investitionen planten wie seit April 2020 nicht mehr. Weniger als eines von zehn meint, dass man jetzt expandieren sollte.
Das Geschäftsklima hat sich deutlich verschlechtert. Die Stimmung der CEOs hat im 2. Quartal 2025 so stark nachgelassen wie noch nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1976. 82 Prozent der CEOs halten die wirtschaftliche Lage jetzt für schlechter als vor sechs Monaten. Im 1. Quartal 2025 waren es nur 11 Prozent – ein bemerkenswerter Anstieg.1
Nicht wenige Anleger und Auguren rechnen damit, dass sich die vollen Auswirkungen des schlechteren Geschäftsklimas erst noch in den Konjunkturdaten zeigen werden. Sicher, die jüngsten ISM-Daten sprechen für eine gewisse Schwäche, aber Entlassungen halten sich noch in Grenzen. Doch sie sind meist der Grund dafür, dass schlechte Stimmung das Wachstum bremst.
Angesichts der derzeitigen Unsicherheit scheinen sich viele Manager an Corona zu erinnern, als massive Entlassungen zu großen Problemen und hohen Kosten führten. Als die Nachfrage plötzlich wieder stieg, ließen sich nur schwer neue Mitarbeiter finden. Von den CEOs, deren Konjunktureinschätzung sich im 2. Quartal so stark verschlechtert hat, wollen 44 Prozent jetzt auf Entlassungen verzichten. Der Anteil jener, die Stellen abbauen wollen, ist kaum gestiegen – von 27 Prozent auf 28 Prozent.2
Anders als sonst bei einem nachlassenden Geschäftsklima führt der Pessimismus der CEOs also nicht zu einer großen Entlassungswelle.
Und die Gewinnprognosen?
Die schlechtere Stimmung hat auch niedrigere Gewinnprognosen in den Vierteljahresberichten zur Folge. Angesichts der außergewöhnlichen Unsicherheit über Politik und Wirtschaft verzichteten viele Firmen im 2. Quartal sogar ganz auf einen solchen Ausblick. Und wenn sie doch den Mut dazu hatten, waren sie deutlich häufiger pessimistisch als optimistisch. Die Differenz betrug 20 Prozentpunkte.
Manche Marktbeobachter sind auch wegen der Zahlen einzelner Unternehmen nicht sehr zuversichtlich. So gelten die Gewinne von United Parcel Service (UPS) bei vielen als wichtiges Wirtschaftsbarometer. UPS ist sehr konjunktursensitiv und beschäftigt 83 Prozent seiner 490.000 Mitarbeiter in den USA.
Gerade erst machte der Paketdienst mit der Ankündigung Schlagzeilen, dieses Jahr 20.000 Stellen zu streichen. Wer genauer hinsieht, erkennt aber, dass UPS diese Streichungen schon letztes Jahr angekündigt hat, als Teil einer größeren Neuausrichtung wegen Veränderungen der Kundenstruktur. Wir haben es also nicht mit einem konjunkturbedingten Stellenabbau, sondern einer firmenspezifischen Entwicklung zu tun.
Viel wird passieren – aber was genau?
Der entscheidende Moment, über den wir im März schrieben, dürfte bald kommen. Alle warten auf den 4. Juli, wenn US-Finanzminister Scott Bessent wohl die Endfassung des Trump’schen Steuer- und Ausgabengesetzes vorlegt. Dann haben amerikanische Unternehmen endlich die nötige Klarheit für Investitionsentscheidungen – und Anleger wissen dann besser, ob sie von der Fed dieses Jahr null oder vier Zinssenkungen erwarten sollten, oder etwas dazwischen.
Wie wir schon schrieben, sieht der Gesetzentwurf mehrere unternehmensfreundliche Maßnahmen vor. Wenn das Haushaltsgesetz am Ende dem Entwurf auch nur annährend ähnelt, könnten viele Belastungsfaktoren für das Geschäftsklima wegfallen.
Natürlich ist all das keineswegs sicher. Abgeordnete und Senatoren werden wohl noch bis zum 4. Juli diskutieren. Für den Investitions-, Beschäftigungs- und Wachstumsausblick in der zweiten Jahreshälfte wird entscheidend sein, was schließlich verabschiedet wird – und natürlich, wie es mit der Zoll- und Außenhandelspolitik weitergeht.
Unterdessen zeigen die Daten, dass die abwartende Haltung der Unternehmen die Konjunktur noch nicht geschwächt hat. Aber wie gesagt: Am 4. Juli wissen wir mehr.
Wenn der amerikanische Durchschnittszoll am Ende einigermaßen erträglich und das Steuergesetz ähnlich wachstumsfreundlich ist wie der Entwurf, könnten Unternehmen Neueinstellungen und Investitionen forcieren. Dann könnte das Wirtschaftswachstum positiv überraschen. Fallen die Zölle aber überraschend hoch aus und liefert der Kongress nicht das Wunschergebnis, könnten auf die schlechte Stimmung Taten folgen. Entlassungen und weniger Wachstum wären die Folgen.
In der Tat, es wird viel passieren: Ob alles besser wird oder doch die Volatilität zurückkehrt, bleibt abzuwarten.
Von Shannon L. Saccocia, Chief Investment Officer - Wealth bei Neuberger Berman
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1 Quelle: The Conference Board Measure of CEO Confidence™, Stand 29. Mai 2025.
2 Quelle: The Conference Board Measure of CEO Confidence™, Stand 29. Mai 2025.