Der Yen Carry Trade ist seit vielen Jahren eine bekannte und weitverbreitete Anlagestrategie, die auf der Ausnutzung von Zinsdifferenzen zwischen dem japanischen Yen und anderen Währungen basiert. Aufgrund der traditionell niedrigen Zinssätze in Japan war dieser für viele Investoren eine attraktive Möglichkeit, höhere Renditen zu erzielen. Doch in den letzten Jahren und insbesondere in jüngster Zeit haben sich die Bedingungen verändert, was die Zukunft dieser Strategie ungewiss macht.
Negativzinsen machen sich bezahlt
Japan hat seit den 1990er Jahren eine Niedrigzinspolitik verfolgt, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Diese Politik führte dazu, dass die Zinssätze in Japan über Jahrzehnte hinweg auf extrem niedrigen Niveaus blieben. Im Jahr 2008 senkte die Bank of Japan den Leitzins auf 0,1%, und 2016 sogar auf -0,1%. Diese Negativzinsen machten den Yen besonders attraktiv für Carry Trades. Investoren konnten sich in Yen zu nahezu null Kosten Geld leihen und es in höher verzinste Anlagen in anderen Ländern, wie zum Beispiel in den USA, Australien oder Schwellenländern, investieren, um deutlich höhere Renditen gegenüber den Finanzierungskosten des Yen-Kredites zu erzielen. Je nach Risikoneigung wurde hiermit in Staatsanleihen, Festgeld, Aktien oder Immobilien investiert.
Doch diese Strategie ist nicht ohne Risiken, wie viele österreichische Eigenheimbesitzer wissen, die ihre Immobilie mit einem Yen-Kredit finanzierten. Ein entscheidender Risikofaktor ist neben möglichen Zinsänderungen das Wechselkursrisiko. Sollte der Yen gegenüber anderen Währungen an Wert gewinnen, könnten die Währungsgewinne, die ursprünglich durch den Zinsunterschied erzielt wurden, schnell zunichtegemacht werden.
Klein, aber oho
Nach Jahren der extrem niedrigen und negativen Zinssätze hat die Bank of Japan im Jahr 2024 eine Kehrtwende eingeleitet. Am 31. Juli 2024 wurde der Leitzins auf 0,25% erhöht, nachdem er bereits Ende Februar 2024 von -0,1% auf 0,1% angehoben wurde. Diese Zinserhöhung, obwohl immer noch moderat im Vergleich zu anderen Ländern, stellt eine signifikante Veränderung in der japanischen Geldpolitik dar.
Da die großen Notenbanken wie die EZB und die FED nun ihre erste Zinssenkung vollzogen haben oder kurz davorstehen und die Bank of Japan erst mit zwei vorsichtigen Schritten eine Zinserhöhungsphase eingeleitet hat, ist die Zukunft dieser Strategie fraglich. Diese Entwicklung relativiert die Attraktivität des Yen Carry Trades, da die Zinsdifferenzen, die einst den Kern dieser Strategie ausmachten, zunehmend erodieren. Ein Rückgang der Zinsen in den USA und Europa könnte die Renditen, die Anleger durch den Carry Trade erzielen möchten, erheblich schmälern, während eine weitere Aufwertung des Yen das Wechselkursrisiko verschärft. In einem solchen Umfeld sehen sich Investoren gezwungen, ihre Positionen neu zu bewerten oder alternative Anlagestrategien zu suchen.
Yen-Aufwertung bedroht profitablen Carry Trade
Die Sorge, dass die langjährige Praxis des Yen Carry Trades bald nicht mehr funktionieren könnte, hat zugenommen. Tatsächlich ist der Yen seit Mitte Juli um rund 10% gegenüber dem Euro gestiegen, was zeigt, dass Investoren bereits auf die neuen Bedingungen reagieren und ihre Yen Kredite teilweise schließen, zu deren Abdeckung sie Yen kaufen müssen. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten am Montag, dem 5. August 2024, können teilweise auf diese Entwicklungen zurückgeführt werden. Die rasche Aufwertung des Yen und die damit verbundene Unsicherheit haben zu einem Ausverkauf bei risikoreichen Anlagen geführt, insbesondere in den Märkten, die stark von ausländischen Investitionen abhängig sind.
Zinsdifferenzgeschäfte, Zinsarbitrage oder Finanzierungsgeschäfte in Fremdwährung oder wie auch immer man sie nennt, werden weiterhin eine wichtige Rolle in der globalen Finanzwelt spielen, da sie für Investoren nach wie vor lukrative Chancen bieten. Der japanische Yen Carry Trade hat jedoch eine besondere Stellung eingenommen, da er bereits seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Anlagestrategien vieler Investoren ist.
Die jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten, ausgelöst durch die Aufwertung des Yen und die damit verbundenen Unsicherheiten, wurden überraschend gut verkraftet. Die Bank of Japan hat schnell reagiert und signalisiert, dass in absehbarer Zeit keine weiteren Zinserhöhungen geplant sind. Es ist offensichtlich, dass die jahrzehntelange Politik ultraniedriger Zinssätze in Japan nicht ohne Herausforderungen angepasst werden kann. Dennoch sind wir zuversichtlich, dass Investoren und Märkte nun ausreichend Zeit haben werden, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Die jüngsten Marktbewegungen in Japan dürften somit eher die Ausnahme als die Regel sein, und wir erwarten, dass sich die Situation an den Aktienmärkten stabilisieren wird.
Von Harald Besser, Leiter Portfolio Management bei der Kathrein Privatbank