„Die verbleibenden deutschen Kernkraftwerke wurden am 15. April abgeschaltet, nachdem eine dreieinhalbmonatige Laufzeitverlängerung gewährt wurde, um die Versorgungssicherheit im Winter zu gewährleisten. Die Abschaltung der letzten drei Kernreaktoren – die 2022 sechs Prozent der deutschen Energie vier Gigawatt (GW) lieferten – wird wahrscheinlich kurzfristig zu einer höheren Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen führen, wobei die Entwicklung neuer Gaskraftwerke und der Weiterbetrieb der verbleibenden Kohlekapazitäten bis spätestens 2030 die Energiesicherheit und -souveränität der Bundesrepublik Deutschland gewährleisten sollen.
Es bedeutet aber sicherlich auch einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien, um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, bis 2030 30 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu decken (von 20,1 Prozent im Jahr 2022). Dies steht im Einklang mit dem europäischen Ziel, die Energiewende zu erreichen und gleichzeitig die Energiesicherheit zu gewährleisten, wie es in den Plänen ‚Fit for 55‘ und ‚REpowerEU‘ zum Ausdruck kommt.
Regulierung beschleunigt die Energiewende
Deutschland hat sein Ziel für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80 Prozent erhöht (von ca. 50 Prozent im Jahr 2022), was bis 2030 die Installation von fast 200 GW Onshore-Windkrafträdern und Solarenergie im industriellen Umfang bedeutet und damit eine Verdreifachung des jährlichen Kapazitätsausbaus gegenüber 2022 erfordert.
Um die Entwicklung der erneuerbaren Energien zu erleichtern, hat die Regierung höhere Auktionsvolumina eingeführt und gleichzeitig die Genehmigungsfristen verkürzt, was für die Betreiber im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal sein dürfte. „In der Tat dauert das Planungs- und Genehmigungsverfahren für ein Windkraftprojekt im Durchschnitt vier bis fünf Jahre“, so der Bundesverband Windenergie, für den ein oder zwei Jahre Zeitgewinn bereits als ‚erheblicher Fortschritt‘ gelten. Diese Zeitvorgaben werden von deutschen unabhängigen Stromerzeugern, in die wir investieren, bestätigt, die eine Verkürzung der Genehmigungsdauer auf weniger als zwei Jahre ab 2024/2025 in Betracht ziehen. Es ist jedoch anzumerken, dass sowohl der Anstieg der Stromgestehungskosten für erneuerbare Energien in den letzten zwei Jahren aufgrund des Inflationsdrucks (+25 im europäischen Durchschnitt) als auch Fragen der sozialen Akzeptanz erhebliche Hürden für Windkraftentwickler in Deutschland darstellen. Das Osterpaket, mit dem 2 Prozent der deutschen Landfläche für Onshore-Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden, dürfte die Dinge erleichtern.
Erhebliche Investitionsmöglichkeiten jenseits der erneuerbaren Energieerzeugung
Da die Strompreise im Vergleich zu ihren historischen Niveaus hoch bleiben und mit dem Ausstieg aus der Kernenergie sogar noch steigen werden, sehen wir trotz gestiegener Kapitalkosten und überhöhter Investitionskosten weiterhin eine hohe Wertschöpfung in den Wachstumsbereichen der erneuerbaren Energien. Ein selektiver Ansatz ist jedoch unerlässlich. Abgesehen von den Entwicklern und Betreibern erneuerbarer Energien bieten sich zahlreiche Möglichkeiten für den Ausbau erneuerbarer Energien. Zum einen die Entwicklung der Stromübertragung und -verteilung mit zusätzlichen Leitungen und der Verstärkung bestehender Netze, insbesondere für den Transport von Windenergie, die vor der Küste und in den nördlichen Landesteilen erzeugt wird, zu den Verbrauchszentren im Süden. Zum anderen die Sicherung der Versorgung mit effizientem Energiemanagement, dezentraler Verteilung und Speicherlösungen. Dazu gehören auch saisonale Lösungen wie Wasserstoff, die das zentrale Problem der Energieflexibilität angehen werden – neben Lösungen für den kurzfristigen Ausgleich von Schwankungen.“
Von Anne-Claire Abadie, Portfoliomanagerin und Umweltspezialistin bei Sycomore Asset Management