„Wie bereits auf der vorangegangenen Sitzung wird die Inflation als ‚zu lange zu hoch‘ angesehen. Der EZB-Rat räumte jedoch ein, dass die Inflation zurückgegangen ist. Die EZB sieht auch keine Unsicherheiten mehr in Bezug auf die Folgen ihrer Politik, sondern geht davon aus, dass diese ‚allmählich in der gesamten Wirtschaft Wirkung zeigt‘. Die strafferen Finanzierungsbedingungen sind ein Hauptgrund dafür, dass die Inflation ‚weiter in Richtung des Zielwerts zurückgehen‘ wird.
Die aktualisierten makroökonomischen Projektionen gehen davon aus, dass die Gesamtinflation im Jahr 2024 immer noch durchschnittlich 3,0% beträgt. Die Aufwärtskorrektur der Kerninflation um 0,5 Prozentpunkte in den Jahren 2023 und 2024 ist außergewöhnlich und spiegelt weitgehend die höheren Arbeitskosten wider. Außerdem wurde aus der Pressekonferenz für uns deutlich, dass die EZB das Risiko von Zweitrundeneffekten sieht.
Mit Blick auf die Zukunft bekräftigt die EZB, dass ‚die Zinssätze auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden‘. EZB-Präsidentin Lagarde erklärte, dass eine weitere Anhebung im Juli bevorsteht, sofern sich das Basisszenario nicht wesentlich ändert. Wir rechnen weiterhin mit einer Anhebung um 25 Basispunkte bis dahin.
Wir sind jedoch der Ansicht, dass sich das Ende des Zinserhöhungszyklus nähert. Wir halten die Wachstumsaussichten der EZB für zu optimistisch und glauben, dass die aktualisierte Makroprognose im September für eine Pause der Zinserhöhungen sprechen wird. Da der Ton der gestrigen Pressekonferenz jedoch eher hawkish war, sehen wir auch das Risiko einer weiteren Zinserhöhung im September, die unserer Meinung nach eine Überstraffung und das Risiko eines länger anhaltenden niedrigen Wachstums bedeuten würde.“
Von Martin Wolburg, Senior Economist bei Generali Investments