US-Staatsanleihen: Warum Zinssenkungen keine Kursgewinne garantieren

US-Zinssenkungen sind kein Selbstläufer für Kursgewinne: Politische Unsicherheit, steigende Staatsverschuldung und anhaltende Inflation können die Renditen langlaufender Anleihen nach oben treiben. Thomas Romig, CIO Multi Asset bei Assenagon, erklärt, warum aktives Durationsmanagement jetzt entscheidend ist. Assenagon Asset Management | 12.09.2025 08:32 Uhr
Thomas Romig, CIO Multi Asset, Assenagon Asset Management / © e-fundresearch.com / Assenagon Asset Management
Thomas Romig, CIO Multi Asset, Assenagon Asset Management / © e-fundresearch.com / Assenagon Asset Management

  • Leitzinssenkungen der Fed wirken sich nicht automatisch auf langlaufende Anleihen aus.
  • Politische Unsicherheit, Verschuldung und Inflation können Risiko­aufschläge steigen lassen.
  • Investoren sollten flexibel bleiben und auf aktives Durations­management setzen.

US-Treasuries: Zinssenkungen garantieren keine Kursgewinne

Der Druck auf die US-Notenbank Federal Reserve, die Leitzinsen zu senken, nimmt spürbar zu. Nach den schwachen US-Arbeits­marktzahlen im Juli gilt eine geld­politische Lockerung als immer wahrscheinlicher. Die Finanz­märkte rechnen inzwischen mit bis zu drei Zins­schritten à 25 Basis­punkte bis zum Jahres­ende. Trotzdem sollten Anleihe­investoren Vorsicht walten lassen: Die Wirkung von Zins­senkungen auf die Zins­struktur­kurve – also die Verteilung der Zins­sätze über verschiedene Lauf­zeiten – kann sehr unterschied­lich ausfallen. Es gab in den Vereinigten Staaten und Europa im­mer wieder Phasen, in denen Zinssenkungen am kurzen Ende durch steigende Langfrist­zinsen konterkariert wurden – etwa im vergangenen Jahr, als trotz Beginn eines Lockerungs­zyklus die Renditen am langen Ende zulegten, oder Mitte der 1970er-Jahre, als hohe Inflation trotz geld­politischer Lockerung die lang­fristigen Renditen nach oben trieb.

Grundsätzlich kann eine Zentral­bank das kurze Ende der Kurve, das sind Anleihen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren, durch ihre Geld­politik aktiv steuern. Der Leitzins beeinflusst direkt den Interbanken- und Geldmarkt. Veränderungen schlagen daher in der Regel schnell auf die Renditen kurzfristiger Staats­anleihen und Kredit­konditionen durch. Die Entwicklung der Zinsen am langen Ende, also bei Laufzeiten von zehn Jahren und mehr, ist aber wesentlich komplexer. Hier spielen neben der Geldpolitik die Erwartungen der Markt­teilnehmer an das langfristige Wirtschafts­wachstum, die Inflations­entwicklung, sowie die Nachhaltigkeit der Staats­verschuldung eine große Rolle. Auch globale Kapital­ströme, etwa Käufe und Verkäufe ausländischer Investoren, können er­heblichen Einfluss haben. Diese Faktoren spiegeln sich in der "Laufzeitprämie" wider – dem zusätzlichen Rendite­aufschlag, den Anleger für das Halten von Anleihen mit langen Laufzeiten ver­langen. 

Warum trotz Zinssenkungen Langläufer steigen können

Trotz Leitzins­senkungen können Renditen langer Laufzeiten zu­legen, etwa, wenn Inflations­erwartungen anziehen oder Risiko­aufschläge steigen. Ein aktuelles Beispiel ist der deutsche Staats­anleihenmarkt: Seit Beginn der geldpolitischen Lockerung im Juni 2024 hat die EZB den Einlagen­zins in mehreren Schritten von 4 Prozent auf 2 Prozent gesenkt. Während die Renditen einjähriger Bundesanleihen von 3,3 Prozent auf 1,9 Prozent fielen, stiegen die Renditen von Anleihen mit 30-jähriger Laufzeit von 2,7 Prozent auf rund 3,2 Prozent. Auslöser waren unter anderem umfangreiche fiskal­politische Maßnahmen – das EUR 500 Mrd.-Sonder­vermögen für Infrastruktur sowie die Lockerung der Schulden­bremse inklu­sive Ausnahmen für höhere Verteidigungs­ausgaben. Die Aussicht auf zusätzliche Emissionen am langen Ende erhöhte die Laufzeit­prämie und trieb die Renditen trotz expansiver Geldpolitik nach oben.

Blick auf die Vereinigten Staaten

Eine ähnliche Dynamik ist derzeit auch in den USA zu beobachten. Auch dort hat die moderate Lockerung der Federal Reserve im Herbst 2024 zu einer steileren Zins­kurve beigetragen. Allerdings sind die politischen und wirtschaft­lichen Rahmen­bedingungen in den Vereinigten Staaten deutlich komplexer als in der Eurozone. Die Gefahr eines "Policy Errors" seitens der Fed fällt entsprechend höher aus. Zwar hat sich die Teuerung zuletzt etwas verlangsamt, lag im Juli mit einer Inflation von 2,7 Prozent und einer Kern­infla­tion von 3,1 Prozent jedoch weiterhin klar über dem 2 Prozent-Ziel der Notenbank. Die Auswirkungen der Import­zölle dürften sich in den aktuellen Zahlen erst zum Teil widerspiegeln. Der Produzenten­preisindex – ein Früh­indikator für die Inflation, der sensibel auf Veränderungen bei Handels­kosten reagiert – legte im Juli mit einem Anstieg von 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr deutlich stärker zu als die Verbraucherpreise.

Eine zu starke oder zu frühe Lockerung der Geld­politik könnte zudem über sinkende Finanzierungs­kosten die Konjunktur anheizen. Bei begrenzten Produktions­kapazitäten würde so tendenziell zusätzlicher Preis­druck erzeugt. Zinssenkungen in diesem Umfeld bergen das Risiko, dass Inflations­erwartungen wieder anziehen. In Folge könnte das lange Ende der Zinskurve unter Aufwärts­druck geraten, da Investoren für das zusätzliche Inflations­risiko einen höheren Rendite­aufschlag verlangen.

Zinssenkungen sind kein Garant für Kurs­gewinne über alle Lauf­zeiten. Am langen Ende entscheiden Inflation, Verschuldung und das Vertrauen in die politische Führung. In all diesen Bereichen bestehen aktuell indes erhebliche Unsicherheiten. -Thomas Romig, CIO Multi Asset

Verstärkt wird dieser Druck durch die expansive Fiskal­politik der US-Regierung. Umfangreiche Ausgaben­programme verschärfen die langfristige Defizit­dynamik. Mit über 37 Billionen US-Dollar hat die Staats­verschuldung ein Rekord­niveau erreicht, während die jährlichen Zins­ausgaben bei mehr als einer Billion US-Dollar liegen – Tendenz steigend. Der damit einhergehende erhöhte Refinanzierungs­bedarf dürfte ebenfalls treibend auf die Renditen langlaufender Staats­anleihen wirken.

Zusätzlich wächst die politische Einfluss­nahme auf Institutionen wie die Federal Reserve und das Bureau of Labor Statistics. Soll­ten Zweifel an der Unabhängigkeit der Fed oder der Verlässlich­keit offizieller Daten zunehmen, könnten Investoren höhere Risiko­aufschläge fordern oder ihr Engagement in US-Staats­anleihen am langen Ende reduzieren.

Von Thomas Romig, CIO Multi Asset bei Assenagon Asset Management

Dieser Artikel ist zuerst online erschienen am  20. August 2025 in der Börsen-Zeitung. (https://www.boersen-zeitung.de/kapitalmaerkte/us-staatsanleihen-warum-zinssenkungen-keine-kursgewinne-garantieren)

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