„Von den 5 Prozent sind 3,5 Prozent für konventionelle Verteidigungsausgaben vorgesehen. Die restlichen 1,5 Prozent decken ein breiteres Spektrum ab, darunter den Schutz von Infrastrukturen und Netzen sowie die Widerstandsfähigkeit der Industrie.
Aus der Investitionsperspektive können die beiden Kategorien getrennt voneinander betrachtet werden – sie sind jedoch gleichermaßen wichtig.
Innerhalb der 3,5 Prozent liegt der Großteil des traditionellen Engagements im Verteidigungsbereich. Die wichtigste Kennzahl sind hier die Ausgaben für Ausrüstung. Dafür wendet die NATO ohne Berücksichtigung der USA derzeit etwa 32 Prozent des Militärhaushalts auf. Wenn es Europa ernst ist, dürfte diese Zahl noch weiter steigen. Polen, der Vorreiter der europäischen Aufrüstung, gab im Jahr 2024 mehr als die Hälfte seines Verteidigungshaushalts für Ausrüstung aus. Wenn das übrige Europa die gleiche Ernsthaftigkeit wie Warschau an den Tag legt und seine eigenen Sicherheitsverpflichtungen erfüllen will, ist eine Annäherung an diese Zahl wahrscheinlich.
Die 1,5-prozentige ‚nicht-konventionelle‘ Säule sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Die Bezugnahme der NATO auf den Schutz von Infrastrukturen und Verteilungsnetzen spiegelt die wachsende Bedeutung der Cyberverteidigung wider. Wir bei HANetf sind schon seit langer Zeit der Meinung, dass Cybersicherheit im 21. Jahrhundert von zentraler Bedeutung ist.
Herausforderungen werden nach wie vor unterschätzt
Das Gefühl des Unbehagens über eine mögliche Verkleinerung des US-amerikanischen Sicherheitsschirms bleibt auch nach dem NATO-Gipfel bestehen. Selbst wenn das Bekenntnis der USA zum Bündnis ein gewisser Trost ist: Wir gehen davon aus, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs den Wiederaufbau ihrer Verteidigungskapazitäten weiter vorantreiben werden, um ihre Abhängigkeit von den USA zu verringern und auf eine stärkere lokale Produktion hinzuarbeiten.
Der Versuch Spaniens, das Ausgabenziel von 5 Prozent für die Verteidigung zu umgehen, zeigt jedoch: Teile Europas unterschätzen das Ausmaß der sicherheitspolitischen Herausforderungen trotz aller Rhetorik noch immer. Dabei sollten die jüngsten Ereignisse gezeigt haben, dass Verteidigung keinen Ermessensspielraum bietet und Europa seinen Schutz nicht weiter auslagern kann.
Aufrüstung der zwei Geschwindigkeiten
Die Argumente für Investitionen in die europäische Verteidigungsindustrie sind daher nach wie vor überzeugend. Während einige westeuropäische Staaten zögern, treiben die nord- und osteuropäischen Staaten die rasche Aufstockung ihrer Militärbudgets, die Beschaffung von Ausrüstung und die industrielle Koordination voran. Es ist eine Aufrüstung der zwei Geschwindigkeiten im Gange: Im vergangenen Jahr haben die NATO-Staaten ihre Verteidigungsausgaben um insgesamt 16 Prozent erhöht, während Spanien nur ein Plus von 0,4 Prozent erreichte. Im Gegensatz dazu erhöhte Polen seine Ausgaben um 31 Prozent, Rumänien um 43 Prozent, Schweden um 34 Prozent, Tschechien um 32 Prozent und Deutschland um 28 Prozent. Diese Divergenz wird wohl noch zunehmen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es politisch vertretbar ist, dass einige Länder ihren Beitrag begrenzen, während andere einen unverhältnismäßig hohen Anteil an der Last der europäischen Verteidigung schultern.“
Von Tom Bailey, Head of Research bei HANetf
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