Ingrid Szeiler: „Goldilocks“ – einfach perfekt! Oder doch nicht?

„Goldilocks“ bezeichnet ein Umfeld für die Finanzmärkte, in dem es – tatsächlich oder vermeintlich – nur positive Einflüsse gibt. In den letzten Wochen und Monaten hat sich ein solches Szenario herauskristallisiert. Einerseits haben sich die Fundamentaldaten (das sind etwa Konjunkturindikatoren und die Entwicklung der Unternehmensgewinne) sehr positiv entwickelt und andererseits macht die Inflation keine Anstalten, signifikant zu steigen. Letzteres erlaubt es den Notenbanken, ihre außerordentlich lockere Geldpolitik fortzusetzen bzw. nur sehr langsam zurückzunehmen. Einfach perfekt. Folgerichtig eilen die Aktienmärkte von einem Hoch zum nächsten. Raiffeisen Capital Management | 09.11.2017 10:24 Uhr
Ingrid Szeiler, CIO, Raiffeisen KAG / ©  Raiffeisen Capital Management
Ingrid Szeiler, CIO, Raiffeisen KAG / © Raiffeisen Capital Management
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Die Aufwärtsbewegung findet überdies bei sehr niedrigen Schwankungen statt. Die Volatilität der Aktienmärkte liegt heuer etwa um 40 - 60 % niedriger als im Schnitt der letzten 15 Jahre. Der S&P 500 Index handelt seit 342 Tagen ohne 5 %-Korrektur, eine längere Phase gab es seit 1970 nur einmal in den 1990er Jahren. Und auch die erwartete Volatilität hat historische Tiefstände erreicht. Wo kein Risiko ist – sei es aus Sicht des fundamentalen Umfeldes, sei es aus Sicht der Kursschwankungen – da müssen auch keine Risikoprämien sein. Dies ist schön abzulesen am Markt für Unternehmensanleihen, wo die "Spreadrallye" (das ist die Abwärtsbewegung der Risikoaufschläge) zuletzt noch beschleunigt hat. Die Rendite für High Yield-Anleihen schlägt dieser Tage auf die 2 %-Marke auf, ein Niveau, das noch vor wenigen Jahren für Euro-Staatsanleihen bezahlt wurde. Somit sehen wir uns einem überhitzenden Markt gegenüber, an dem ein Rückschlag überfällig ist. Andererseits ist den weiter verbesserten Konjunktur- und Unternehmensdaten Rechnung zu tragen. 

Aktien: Emerging Markets-Aktien attraktivste Assetklasse 2017? 

Die Fundamentaldaten in den USA sind robust bzw. verbessern sich laufend und die Inflation ist niedrig, so dass die Notenbank nur langsam bremsen wird. Das wirkt wie Treibstoff für die US-Aktienmärkte. Wir erachten den wichtigen US-Aktienmarkt im historischen Vergleich inzwischen als sehr teuer bewertet. Die europäischen Aktienmärkte konnten nach einer Konsolidierungsphase in den Sommermonaten zuletzt wieder deutlich zulegen. Auch hier unterstützen sehr gute Konjunktur- und Unternehmensdaten sowie eine vorerst weiterhin expansive Notenbankpolitik die Entwicklung. Die Erwartungshaltung der Investoren hat sich diesem positiven Bild angepasst und spiegelt sich aktuell in einer sehr optimistischen Stimmung wider. Wir sehen daher kurzfristig das Potenzial für weitere positive Überraschungen begrenzt und erwarten in den kommenden Wochen eine schwächere Entwicklung an den Aktienmärkten. Die Wertentwicklung der Emerging Markets-Aktien wurde in den vergangenen Monaten nur durch den starken EUR-Wechselkurs gebremst. Alle anderen Komponenten zeigen zuletzt eine äußerst ansprechende Entwicklung. Damit sind auch die Bewertungen angestiegen, die aber nach wie vor auf soliden Niveaus sind und weiterhin durch gutes Gewinn-Momentum tief gehalten werden. 

Staatsanleihen – rückläufige Risikoaufschläge, Schwellenländer stark nachgefragt 

Trotz der allgemein guten Konjunkturdaten ist die Inflation in den USA nach wie vor niedrig. Für 2018 erwarten wir lediglich einen leichten Anstieg auf 2,2 %. Angesichts der guten Daten ist auch der erwartete Zinspfad überaus moderat. Bis Ende 2018 werden die Leitzinsen demgemäß in etwa bei 2 % liegen. Auch die gute, fast sorglose Stimmung in Europa ist für uns doch ein wenig überraschend. Die Beinahe-Eskalation der Situation zwischen den USA und Korea im Sommer ist völlig vergessen, die Maßnahmen der Separatisten zur Abspaltung in Katalonien haben den Markt für europäische Staatsanleihen nur ganz kurz bewegt. Die Risikoaufschläge sind allerorts weiter rückläufig. Emerging Markets-Währungen sind weitgehend stabil, wodurch Investoren eine recht hohe Rendite von bis zu 6 % verdienen können. Dies wird von der Investorenschaft durch kontinuierliche Zuflüsse in diese Assetklassen honoriert.

Unternehmensanleihen – Ausfallsraten historisch niedrig 

Auch bei den Unternehmensanleihen sind die Risikoaufschläge weiter rückläufig, unabhängig von deren Bonität.  Die Ausfallsraten sind historisch niedrig und alles scheint eitel Wonne. Doch sind diese Märkte schon teuer und das weitere Kurspotenzial daher eingeschränkt. 

Reale Assets – zuletzt deutlich zugelegt 

Nach einem sehr schwachen ersten Halbjahr präsentierte sich auch der Energiesektor zuletzt deutlich stärker. Rückgänge bei den Lagerdaten in Kombination mit guten Nachfragedaten sorgen für einen Aufwärtstrend bei den Preisen. Wir erwarten, dass sich dieser Trend in den nächsten Monaten fortsetzt. Wir sind für die Entwicklung der Anlageklasse in den nächsten Monaten unverändert positiv gestimmt. 



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