Türkischer Aktienmarkt keine Einbahnstraße

"Die Türkei trägt eine inhärente politische Risikoprämie, die von den Marktakteuren in den letzten Monaten vernachlässigt wurde. Diese ist nun wieder zum Vorschein gekommen und wird nicht über Nacht verschwinden", Gökhan Kula, MYRA Capital in einem Gastbeitrag zur aktuellen Situation am türkischen Kapitalmarkt. Economics | 27.06.2013 02:00 Uhr
Gökhan Kula, MYRA Capital
Gökhan Kula, MYRA Capital
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Türkei ist aktuell im Fokus der internationalen Berichterstattung – das im Zuge der hervorragenden wirtschaftlichen Entwicklung bis dato sehr positive Stimmungsbild zur Türkei hat sich dramatisch umgekehrt. Die als relativ harmlos gestartete Demonstration von Umweltaktivisten hat sich durch die gewaltsame Räumung des Gezi-Parkes und der anschließenden Eskalation zu einer breiten Bewegung gegen die Regierungspolitik Erdogans und der AKP Partei entwickelt.

"Schwarzer Montag" an türkischen Börsen

Das Votum des türkischen Kapitalmarktes auf diese politischen Unruhen war eindeutig und klar: mit dem größten Tagesverlust seit mehr als 10 Jahren hat der türkische Aktienmarktleitindex BIST-30 den „schwarzen Montag“ (3. Juni 2013) mit einem Minus von 10,3% abgeschlossen. Die breite Verkaufswelle hat jedoch nicht nur den Aktienmarkt, sondern auch die Anleihen- und Währungsmärkte erfasst. Mittlerweile hat der türkische Aktienmarkt nach der fulminanten Kursentwicklung 2012 bis Mitte Mai 2013 binnen weniger Wochen über 20% verloren, nachdem kurz zuvor noch historische Höchstkurse erreicht wurden. Zusätzlich hat die türkische Lira gegenüber dem Euro seit Jahresanfang 2013 um knapp 8% abgewertet.

Volatile Kursentwicklungen erwartet

Die kurzfristigen Auswirkungen auf den türkischen Kapitalmarkt sind heute noch nicht absehbar. Vieles hängt davon ab, wie die politische Führung rund um Premier Erdogan auf diese Demokratisierungsbewegung reagieren wird und er von seiner bisherigen Haltung abrücken wird. Kurzfristig erwarten wir weiterhin eine volatile Kursentwicklung, die durch die von der FED angekündigte Rückführung der quantitativen geldpolitischen Maßnahmen zusätzlich noch Unsicherheit quer über alle Schwellenländer- bzw. risikobehaftete Anlagen geführt hat.

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Wird der Demokratisierungsprozess voranschreiten?

Eines haben die Ereignisse der letzten Tage jedoch eindeutig gezeigt: die Türkei – wie jedes andere Schwellenland – trägt eine inhärente politische Risikoprämie, die von den Marktakteuren in den letzten Monaten vernachlässigt wurde. Diese ist nun wieder zum Vorschein gekommen und wird nicht über Nacht verschwinden. Auch wenn die Kursverluste kurzfristig schmerzhaft sind und die Volatilität anhalten wird, so sind wir davon überzeugt, dass diese Ereignisse mittel- bis langfristig positiv für die türkische Bevölkerung und letztlich für den Kapitalmarkt sein werden. Es ist an der Zeit, parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung auch den Demokratisierungsprozess nachzuziehen - spätestens bei den nächsten Wahlen wird man sehen, wie weit die Türkei in diesem Prozess wirklich ist. Nur dadurch wird die Türkei weitere Wachstumskräfte erwecken können, die in ihr schlummern. Die Vielseitigkeit und die Pluralität der Türkei, gekoppelt mit der institutioneller Stabilität und der demographische Entwicklung, werden in allen Wirtschaftsbereichen positiv wirken und die Türkei dadurch einen neuen Wachstumspfad erklimmen lassen.

"Ausländische Investoren sind wie ein scheues Reh"

Türkei-Investoren wurde schmerzhaft klar, dass auch die türkische Börse keine Einbahnstraße ist, die nur eine Richtung kennt. Das Kapital von vor allem ausländischen Investoren ist wie ein scheues Reh. Daher verwundern die aktuellen Gewinnmitnahmen bzw. auch der Verkaufsdruck auch nicht. Inwiefern politische Börsen jedoch kurze Beine haben, wird sich noch zeigen. Trotz aller negativer Berichterstattung sollte nicht vergessen werden, dass die wirtschaftliche Entwicklung und die makroökonomischen Rahmendaten weiterhin sehr positiv sind. Die sehr geringe Staatsverschuldung, eine solide Haushaltspolitik und die junge, aufstrebende Bevölkerung verhelfen der Türkei zu hervorragenden „Fundamentals“. Insofern bietet die Türkei attraktive Investmentchancen für langfristig orientierte und antizyklische Investoren – die jedoch aus unserer Sicht nicht mit einer Buy-and-Hold-Strategie, sondern mit flexibleren Strategien und funktionierendem Risikomanagement die Türkei in Ihre gut diversifizierten Portfolios beimischen könnten.

Flexible Investitionsquoten notwendig?

Für uns als spezialisierter Anbieter auf risikokontrollierte Anlagestrategien ist speziell die aktuell zu beobachtende schwierige Phase eine wichtige Bewährungsprobe. Wir haben unsere Türkei-Strategie auch deswegen gestartet, da wir zukünftig trotz sehr guten makroökonomischen Grunddaten weiter sehr hohe Kursausschläge bei türkischen Aktien erwarten. Bestehenden Long-Only bzw. Beta-1 Produkte (klassische Länderfonds bzw. Indexprodukte wie ETFs) bieten dabei oftmals nur einen eingeschränkten Schutz vor stärkeren Kursverlusten. Durch die flexible und prognosefreie  Investitionsquotensteuerung unserer Türkei-Strategie (MYRA Dynamic Turkey Fund, LU0778826858) reagieren wir konsequent auf sich ändernde Marktverhältnisse.

Wenn auch die sehr hohe Volatilität und die schnelle Abwertung der türkischen Lira für uns schmerzhaft waren, so konnten wir aufgrund unserer risikokontrollierten Investmentumsetzung die Verluste begrenzen. Mit einer aktuellen Investitionsquote von 58% in türkischen Aktien und der türkischen Lira (TRY) sind wir überzeugt, dass wir für die erwartete volatile Phase gut aufgestellt sind. Durch den flexiblen Investmentprozess wird bei anhaltendem Abwärtstrend die Aktien- und türkische Lira Quote sukzessive weiter abgesichert. Im Zuge der monatlichen Allokationsanpassung wird die Aktien- und TRY Quote bei Betrachtung der aktuellen Marktdaten auf deutlich unter 30% reduziert werden.


Mag. Gökhan Kula | Managing Partner, CIO von MYRA Capital

Gökhan Kula ist seit Mai 2012 Gründungsmitglied und Geschäftsführer der Advisory Boutique MYRA Capital. Er ist Kapitalmarktexperte mit mehr als zehn Jahren Erfahrung in der Investmentbranche. Nach unterschiedlichen leitenden Positionen im Bereich Asset Management der Walser Privatbank AG wurde er mit Gründung der Walser Privatbank Invest S.A. im Januar 2011 zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Des Weiteren war er Verwaltungsratsmitglied verschiedener Luxemburger Investmentgesellschaften. Als Fondsmanager kann er einen sehr erfolgreichen Track Record vorweisen, der durch internationale Auszeichnungen bestätigt wird.

Über MYRA Capital GmbH

MYRA Capital ist eine unabhängige und inhabergeführte Advisorygesellschaft mit Schwerpunkt auf institutionelle Kapitalanleger. Der Fokus der Beratungstätigkeit liegt auf effizienten, systematischen und regelbasierten Investmentstrategien. Sie ist spezialisiert auf dynamische, risiko-kontrollierte und quantitative Asset Allocation Modelle und bieten ihre internationale Beratungsdienstleistung seit Juli 2012 auch im Publikumsbereich an.


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