Angesichts der Tatsache, dass die Geldpolitik an ihre Grenzen stößt oder sich ihnen nähert, steht die Finanzpolitik ganz im Fokus dessen, was man tun kann, um die Schwankungen des Konjunkturzyklus zu steuern, insbesondere wenn es zu einem weiteren Abschwung kommen sollte. Dabei hat sich das gängige Denken über eine nachhaltige Schuldendynamik geändert. Ein konsistentes Haushaltsdefizit kann langfristig nachhaltig sein. Ein neutraler Haushalt sollte deshalb vor dem Hintergrund sehr niedriger langfristiger Zinssätze nicht als ausgeglichener Haushalt betrachtet werden.
Die finanzpolitischen Multiplikatoren sind aktuell schwer abzuschätzen, aber es besteht ein Konsens über vier wichtige Faktoren:
- Zeitpunkt im Konjunkturzyklus
- Art der finanzpolitischen Expansion
- Lockerung der Geldpolitik
- Offenheit der Wirtschaft
Ein Vergleich der Konjunkturmaßnahmen in China mit denen in Japan in den letzten 20 Jahren liefert eine interessante Fallstudie über Finanzpolitik in der Praxis. Aufgrund der höheren strukturellen Wachstumsrate, einer größeren Produktionslücke und des weniger entwickelten wirtschaftlichen Status, war die finanzpolitische Stimulierung in China wesentlich wirksamer, was bedeutete, dass mehr produktive fiskalische Ausgaben getätigt werden konnten. Auch die Verwendung der Finanzausgaben von China und Japan unterschied sich. Japan war stärker auf soziale Sicherheit fokussiert, China stärker auf Infrastruktur, was tendenziell einen höheren Multiplikator hat.
Der größte Teil der Konjunkturmaßnahmen wurde über außerbilanzielle staatliche Emissionen finanziert. So bestehen Bedenken, dass, obwohl die Steuerausgaben produktiv waren, sie eine versteckte Schuldendynamik geschaffen und den Schattenbankensektor begünstigt haben. Die Auswirkungen dieser Entwicklung haben sich möglicherweise noch immer nicht voll entfaltet.
Im Folgendem sind die Hauptmerkmale der Verschuldung und das Potenzial für die Finanzpolitik der fünf größten Wirtschaftsregionen anhand einer Tabelle in Ampelfarben durch je drei Schlüsselfaktoren dargestellt:
Die verschiedenen Regierungen tendieren weiterhin eher dazu, die Finanzpolitik als reaktives anstatt als präventives Politikinstrument einzusetzen. Es besteht ausreichend politische Bereitschaft, die Finanzpolitik bei Bedarf in den aufgelisteten Volkswirtschaften außerhalb Deutschlands stärker zu nutzen. Dies wirkt als Hemmnis für eine ganzheitliche finanzielle Lockerung in Europa, dem Wirtschaftsraum, der wohl am meisten von einer proaktiveren Finanzpolitik zu diesem Zeitpunkt profitieren würde.
Alle Länder haben die Möglichkeit, die Finanzpolitik weiter zu lockern, dabei würde Italien am schnellsten in Schwierigkeiten geraten.
Die Effektivität der Finanzpolitik in Bezug auf die Größe der Multiplikatoren bleibt in allen Bereichen fragwürdig. Am wahrscheinlichsten ist sie aufgrund der Gegebenheiten in den USA und in China und am wenigsten wirksam in Japan, wegen der Natur des Konjunkturzykluses.
Insight Global Macro Research Team