Regulatory Corner #5 | Kompakt auf den Punkt – Gedankenanstoß und Orientierungshilfe
verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M, MBA, Senior Manager im Bereich Financial Services Advisory bei KPMG Austria.
Mitte Oktober 2022 war es endlich so weit – die Regierungsvorlage für ein Wertpapierfirmengesetz (WPFG) zur Umsetzung der europäischen Investment Firm Directive (IFD)[1] wurde veröffentlicht. Mit dem WPFG, das mit 1.2.2023 in Kraft treten wird, wird ein neuer, risikosensitiver und effizienter Aufsichtsrahmen für MiFID-Wertpapierfirmen geschaffen, der zudem auch interessante Strukturelemente für andere konzessionierte Marktteilnehmer mit sich bringt.
Neukategorisierungen durch das WPFG
Das WPFG sieht eine Reihe von Aufsichtsvorschriften vor, die den in der Investment Firm Regulation (IFR)[2] definierten Klassen von Wertpapierfirmen risikosensitiv zugeschnitten sind. Diese Neukategorisierung ist dreiteilig und gestaltet sich, wie folgt:
- Systemrelevante Wertpapierfirmen (Klasse 1-Wertpapierfirmen), die an sich bankähnliche Tätigkeiten ausüben, werden auch zukünftig eine Konzession als Kreditinstitut benötigen, sodass aus dogmatischer Sicht eine sinnvolle und begrüßenswerte Verschränkung von bank- und wertpapieraufsichtsrechtlichen Anforderungen vorgenommen wird, wodurch gerade im Bereich der Ausübung der Portfolioverwaltung strittige Rechtsfragen zukünftig beseitigt sein sollten.
- Mittelgroße Wertpapierfirmen (Klasse 2-Wertpapierfirmen) werden als eigenständige Kategorie neu definiert, wobei diese in das maßgeschneiderte Aufsichtsregime des WPFG fallen, wonach, je nach ausgeübter Tätigkeit anhand des risikosensitiven Ansatzes, unterschiedliche Eigenmittel- und Kapitalanforderungen auf Basis der sogenannten „K-Faktoren“ zur Anwendung kommen.
- Kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen (Klasse 3-Wertpapierfirmen) haben gewisse Mindeststandards einzuhalten, wobei der diesbezügliche Zweck die solide, aufsichtsrechtlich kompatible Unternehmensführung ist. Derartige Klasse 3-Wertpapierfirmen dürfen keine Kundengelder halten.
Diese Neukategorisierung von Wertpapierfirmen samt deren Überführung in ein neues risikosensitives prudentielles Aufsichtsregime ist generell sinnvoll, da mit den neuen Anforderungen verfeinert auf Art, Umfang, Risikogehalt sowie Komplexität deren Geschäftstätigkeit abgestellt wird. Das damit realisierte Proportionalitätsprinzip ist somit aus praktischer Perspektive zu begrüßen.
Mögliche Implikationen für das Asset Management
Die Anwendbarkeit des IFD/IFR-Regimes auf OGAW-Verwaltungsgesellschaften sowie AIFMs ist nicht direkt gegeben, jedoch werden indirekte Auswirkungen – auch entsprechend der jeweiligen nationalen IFD-Umsetzungen – gegeben sein. Auf Basis der Regierungsvorlage für das WPFG sollten diese von überschaubarer Signifikanz sein, wobei tendenziell jene Marktteilnehmer mit „erweiterter Konzession“ eher betroffen sein werden. Die jeweilige Betroffenheit ist im Einzelfall zu beurteilen, jedoch erscheint ein bisher noch wenig beleuchteter Aspekt im Zusammenhang mit dem IFD/IFR-Regime interessant, da die neuen Regularien auch Strukturoptionen für die Asset Management-Industrie ermöglichen. Dies bedeutet, dass trotz der traditionellen prudentiellen Vorgaben durch das OGAW- bzw. AIFM-Rahmenwerk das neue „IFD/IFR-Regime“ einige regulatorische Optionen für den Fondsvertrieb erkennen lässt, die durchaus geeignet sind, einzelne Geschäftsmodelle attraktiver und somit konkurrenzfähiger zu machen.
Da nach bisherigem Kenntnisstand zu erwarten ist, dass die bisher veröffentlichte Regierungsvorlage zum WPFG in weiten Teilen in der bekannten Form zur Umsetzung gelangen wird, ist es empfehlenswert, dass sich die Asset Management-Industrie mit dem neuen Aufsichtsregime auseinandersetzt, um regulatorisch optimierende Strukturüberlegungen anzustellen.
Regulatory Corner | Kompakt auf den Punkt – Gedankenanstoß und Orientierungshilfe
Über den Autor: Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M., MBA ist Professor (FH) für Bankrecht und Finanzmarktregulierung an der Lauder Business School (LBS) in Wien sowie Senior Manager im Bereich Financial Services Advisory bei KPMG Austria. Prof. (FH) Dr. Armin Kammel ist zudem allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger im Fachbereich Kredit, Banken, Börsen sowie Autor zahlreicher Publikationen zu bank-, kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Themen im In- und Ausland.
¨ Prof. (FH) Dr. Armin KAMMEL, LL.M., MBA ist Senior Manager im Bereich Financial Services Advisory bei KPMG Austria in Wien.
[1] Richtlinie (EU) 2019/2034.
[2] Verordnung (EU) 2019/2033.
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