Europäische Bankaktien gehörten in den letzten zwei Jahren zu den größten Börsengewinnern. Nach Jahren der Konsolidierung nutzten sie den Zinsanstieg, teils ohne die höheren Erträge an Kunden weiterzugeben, und übertrafen zeitweise sogar US-Techwerte. Mit den nun sinkenden Leitzinsen im Euroraum rückt die Frage in den Fokus, ob die Rallye bereits ausgereizt ist: Sind die Bewertungen tragfähig oder droht bei Rückschlägen eine Korrektur?
Bullen-Szenarien
Deutlich steigende Gewinnerwartungen und anhaltender Bewertungsabschlag gegenüber US-Banken und dem Gesamtmarkt
Attraktive Fundamentaldaten mit niedriger Bewertung, solider Kapitalausstattung und hohen Dividendenrenditen
Struktureller Rückenwind durch verlässliche Regulierung, politische Unterstützung und wachstumsfördernde EU-Initiativen
Bären-Szenarien
Makroökonomische Belastungen durch Rezession, steigende Arbeitslosigkeit und fallende Immobilienpreise
Politische Risiken infolge europäischer Instabilität, fiskalischer Unsicherheiten oder zusätzlicher Besteuerung
Marktrisiko nach starker Outperformance sowie Gefahr durch Rückkehr zu Niedrigzinsen und stagnierendes Kreditwachstum
Für Leser:innen, die die vollständigen Analysen und Argumentationsketten nachvollziehen möchten, steht die Original-Survey mit allen zehn Expertenstatements hier online zur Verfügung.
Fundamentaldaten im Aufwind
Antonio Roman, Portfoliomanager bei Axiom Alternative Investments, betonte im Rahmen der Survey das positive Momentum bei den Gewinnerwartungen: „Die künftigen Gewinnerwartungen sind im letzten Berichtszeitraum um ca. 3% und seit Jahresbeginn um über 8% gestiegen. Unsere Schätzungen deuten auf ein weiteres Konsensrevisionspotenzial im hohen einstelligen Bereich hin.“ Angesichts eines Bewertungsabschlags von rund 20% zu US-Banken und 30% zum Stoxx 600 sieht Roman weiteres Aufholpotenzial.
Auch Dr. Dirk Becker, Senior Portfolio Manager bei Allianz Global Investors, zeigte sich konstruktiv. „Trotz sinkender EZB-Leitzinsen haben die meisten Banken in Q2 die Erwartungen erneut übertroffen. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 10x und einer Dividendenrendite von fast 6% handeln sie nach wie vor zu einem Abschlag zum Gesamtmarkt.“
Laurent Van Tuyckom, Fondsmanager bei DPAM, hob zudem strukturelle Faktoren hervor: „Das regulatorische Umfeld ist vorhersehbar und die Rolle der Banken zur Stützung der Wirtschaft wird positiver wahrgenommen – man denke an die Unterstützung der Regulierungsbehörden und Politiker für wertschöpfende Fusionen und Übernahmen.“
Rückenwind durch Kapitalstärke und Reformen
Filippo Alloatti, Head of Financials for Credit bei Federated Hermes, verwies auf die solide Kapitalausstattung: „Die Qualität der Aktiva bleibt gut, die Kapitalausstattung ist stark, selbst bei fortlaufenden Aktienrückkäufen.“ Auch die jüngsten Kursbewegungen deuteten seiner Einschätzung nach auf ein positives Umfeld hin.
Ähnlich argumentierte Robert Schramm-Fuchs, Portfoliomanager im European-Equities-Team bei Janus Henderson Investors: „Mehrere EU-Initiativen zur Lockerung der Finanzregulierung, zum Bürokratieabbau und zur Stimulierung des Wirtschaftswachstums liefern Rückenwind – davon profitieren in erster Linie Banken.“ Trotz der bereits erzielten Kursgewinne seien die Bewertungen weiterhin attraktiv.
Shay Pang, Senior Portfolio Manager im Global Multi-Asset Team von Nikko Asset Management, erinnerte daran, dass der Finanzsektor in den letzten fünf Jahren trotz Tech-Hype „der zweitbeste Performer im MSCI AC World Index“ war. Die Value-orientierte Bewertung mache ihn seiner Meinung nach auch in einem unsicheren Umfeld widerstandsfähiger.
Mögliche Risiken: Von Politik bis Konjunktur
Die positive Grundhaltung wurde von den Befragten stets mit möglichen Risikoszenarien ergänzt. Roman (Axiom) mahnte, dass „alles, was die Einheit und Stabilität Europas gefährdet, als Gelegenheit für Gewinnmitnahmen angesehen werden“ könnte. Becker (Allianz GI) nannte steigende Arbeitslosigkeit oder ein Absinken der Immobilienpreise als mögliche Belastungsfaktoren für die bislang stabile Kreditqualität.
Van Tuyckom (DPAM) stellte klar, dass ein rezessives Umfeld die Risikovorsorgen wieder deutlich steigen lassen würde, während Alloatti (Federated Hermes) auf die Gefahr einer „drastischen Verschlechterung auf Makro-Ebene oder fiskalischen Unsicherheiten“ hinwies. Schramm-Fuchs (Janus Henderson) sah schließlich eine globale Rezession als Szenario, das den positiven Ausblick für europäische Banken fundamental in Frage stellen würde.
Auch Jeroen Knol, Senior Portfolio Manager bei BNP Paribas Asset Management, brachte die Verwundbarkeit des Sektors zur Sprache: „Die größten Risiken bestehen in einer Rückkehr zu Niedrigzinsen, stagnierendem Kreditwachstum oder stärkerer politischer Einflussnahme, etwa durch neue Steuern.“
Boris Anbinder, Portfoliomanager bei Metzler Asset Management, wies darauf hin, dass europäische Banken den Gesamtmarkt in den vergangenen drei Jahren bereits um 150 Prozentpunkte outperformt hätten. „Kommt die wirtschaftliche Belebung in Europa doch nicht in Tritt, könnte die Kreditqualität leiden – und das ist aktuell nicht in der Bewertung eingepreist.“
Fazit und Deep Dive
Die von der e-fundresearch.com Redaktion befragten Expert:innen sehen insgesamt gute Gründe für einen konstruktiven Ausblick auf europäische Banken. Gewinnwachstum, starke Kapitalausstattung und attraktive Ausschüttungen stützen den Bull-Case. Doch zugleich bleibt die Liste möglicher Belastungen lang – von politischen Eingriffen über makroökonomische Risiken bis hin zu externen Marktschocks.
Für einen vollständigen Deep Dive mit allen zehn Originalstatements verweisen wir auf unsere vollständige Survey.
Teilnehmer der Survey im Überblick
- Robert Schramm-Fuchs, Janus Henderson Investors
- Nedko Geshev, ActivTrades
- Shay Pang, Nikko Asset Management
- Salah-Eddine Bouhmidi, IG Europe
- Jeroen Knol, BNP Paribas Asset Management
- Boris Anbinder, Metzler Asset Management
- Laurent Van Tuyckom, DPAM
- Antonio Roman, Axiom Alternative Investments
- Filippo Alloatti, Federated Hermes
- Dr. Dirk Becker, Allianz Global Investors
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