„Statt den perfekten Einstiegszeitpunkt treffen zu wollen, setzen wir auf Diversifikation und einen langfristigen Anlagehorizont. „Time, not Timing“ ist angesagt.“
Die Aktienmärkte, Gold und Kryptowährungen notieren auf Allzeithochs. Und das in einem Umfeld mit vielen geopolitischen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten. Warum ist das so, dass sowohl sichere Häfen wie Gold als auch risikobehaftete Assetklassen steigen?
Risikoappetit und Sicherheitsbedürfnis schließen sich an den Märkten nicht zwangsläufig aus. Beide Trends können parallel auftreten, wenn verschiedene Kräfte gleichzeitig wirken. Auf der einen Seite sorgen robuste Unternehmensgewinne, strukturelles Wachstum in Zukunftsbereichen wie Künstlicher Intelligenz und eine zunehmend unterstützende Geldpolitik für Zuversicht bei Aktien – die Erwartung einer „weichen Landung“ der Wirtschaft dominiert hier.
Auf der anderen Seite bleiben makroökonomische Risiken wie hohe Schuldenstände, geopolitische Spannungen und Inflationssorgen bestehen, was die Nachfrage nach Absicherung in Form von Gold antreibt. Solche Phasen gleichzeitiger Stärke von Risiko- und Sicherheitsanlagen sind selten und treten besonders in Zeiten geldpolitischer Wenden oder hoher Liquidität auf. Zudem liegt die Geldmenge M2 in den USA mit rund 22,2 Billionen US-Dollar derzeit auf einem hohen Niveau. Zum Vergleich: Vor der Pandemie 2019 lag sie bei rund 15 Billionen USD. Das bedeutet, dass viel Liquidität im Umlauf ist und Haushalte, Unternehmen sowie Investoren über zusätzliche Mittel verfügen. Diese fließen nicht nur in risikoärmere Anlagen wie Gold, sondern auch verstärkt in Aktien und Kryptowährungen, was deren Nachfrage und Preise antreibt.
Apropos Kryptowährungen: Neben Gold ist auch der Bitcoin auf Rekordjagd – warum werden diese Anlageklassen so stark nachgefragt?
Ein zentraler Treiber ist der sogenannte „Debasement Trade“ – also die Flucht aus klassischen Währungen hin zu vermeintlich wertbeständigen Alternativen wie Gold oder Bitcoin. Hohe Staatsverschuldung, Inflationsrisiken und geopolitische Spannungen untergraben zunehmend das Vertrauen in Fiat-Geld - darunter versteht man Währungen, die nicht an Gold, etc. gebunden sind.
Auch das Zinsumfeld wirkt unterstützend. Sinkende kurzfristige Zinsen erhöhen die Attraktivität zinsloser Anlagen, während steigende langfristige Renditen Zweifel an der Tragfähigkeit staatlicher Finanzen schüren. Diese Kombination lenkt Kapital verstärkt in Anlageformen, die unabhängig von der Geldpolitik sind und nicht beliebig vermehrt werden können. Gold profitiert dabei insbesondere von anhaltenden Zentralbankkäufen, während der Bitcoin von wachsender institutioneller Nachfrage und Zuflüssen in ETFs Rückenwind erhält.
Welche Anlageklassen verlieren derzeit?
Neben Energie-Rohstoffen haben auch langlaufende Staatsanleihen zuletzt an Wert verloren. Investoren verlangen angesichts hoher Staatsverschuldung und politischer Unsicherheiten höhere Aufschläge für das Halten langer Laufzeiten. Steigen die Renditen, fallen automatisch die Kurse bestehender Anleihen – und dieser Effekt ist bei langen Laufzeiten entsprechend stark. Innerhalb der Aktienmärkte gehören derzeit defensive Basiskonsumtitel zu den Verlierern, da ein ausgeprägter „Risk-On“-Modus herrscht und Anleger wachstumsstarke Technologiewerte gegenüber defensiven Konsumaktien bevorzugen.
Lohnt sich jetzt noch der Einstieg bei Aktien, Gold und Bitcoin, oder ist die Gefahr einer starken Korrektur bereits da?
Aktien, Gold und Bitcoin notieren auf Rekordständen – viele Anleger schwanken daher zwischen FOMO („Fear of Missing Out“), also der Angst, etwas zu verpassen und der Sorge vor einer größeren Korrektur. Rücksetzer können jederzeit auftreten, etwa durch geopolitische Spannungen, unerwartete Zinsänderungen oder konjunkturelle Schwäche. Solche Risiken gehören jedoch zum Investieren dazu. Sie sind kein Ausnahmezustand, sondern ein ständiger Begleiter der Märkte. Statt den perfekten Einstiegszeitpunkt treffen zu wollen, sollten Anleger auf Diversifikation und einen langfristigen Anlagehorizont setzen - „Time, not Timing“. Wer regelmäßig und schrittweise investiert, senkt das Risiko eines Einstiegs auf Höchstständen und profitiert langfristig vom Zinseszinseffekt.
Von David Striegl, Leiter Aktienfondsmanagement bei KEPLER-Fonds
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