Ein Zeichen der Hoffnung für 2016: die Eurozone
Wieso? Weil die Eurozone makroökonomisch gesehen die einzige große Region ist, die im vergangenen Jahr nicht enttäuschte. Im Gegensatz dazu steht die US-amerikanische Volkswirtschaft, die im Industriesektor Anzeichen einer Abflachung aufweist. Ebenso enttäuschten die Schwellenländer, die entweder strukturelle Krisen durchmachen - vor allem Rohstoffproduzenten wie Russland und Brasilien - oder wie China inmitten großer Umwälzungen stecken. Wir stehen somit vor einem sehr komplexen Umfeld und es ist gut vorstellbar, dass in diesem „Jahr der globalen Schwäche“ einzig die Eurozone positiv überraschen kann.
Mehrere makroökonomische Fakten begründen diese Sichtweise
Zunächst: Die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist erfolgreich. Die Zinsen der Staats- und der Unternehmensanleihen konvergieren. In den meisten Ländern kommt die Kreditvergabe wieder in Gang, und der fallende Euro wird seine positiven Wirkungen auch weiterhin entfalten. Zweitens profitiert die Eurozone stark von den sinkenden Rohstoffpreisen. Anders als Anfang 2015 und erst recht in den Jahren 2010 bis 2012 läuft die Eurozone außerdem dem amerikanischen Konjunkturzyklus hinterher und scheint für das weltweite Wachstum keine Bedrohung mehr zu sein.
Zudem schlagen sich die aktuellen inneren Unsicherheiten der Eurozone - wenn auch vielleicht nur vorläufig - nicht mehr an den Finanzmärkten nieder. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Kapitalflüsse, die wir 2015 erlebt haben, also auf der einen Seite die massiven Rücknahmen von Anleihefonds, die Ausstiege aus Schwellenländer-Fonds (überwiegend aus chinesischen) und aus amerikanischen Aktienfonds sowie auf der anderen Seite die Mittelzuflüsse in europäische und japanische Fonds, haben gute Chancen, sich fortzusetzen. Der Grund: Die Divergenz der Konjunkturzyklen und dazu die Verschiebung der Währungszyklen. In den USA könnten die Zinsen schneller steigen als der Markt annimmt. Dies könnte das Kreditaufkommen belasten und zu Auswirkungen in den Schwellenländern führen.
Zum ersten Mal seit rund zehn Jahren werden wir einen ökonomischen und monetären zeitlichen Versatz erleben. Der nachlassende internationale Handel, der seit einiger Zeit langsamer wächst als das globale BIP, deutet auf das Ende einer weltweiten Globalisierungsperiode der Industrie hin.
Derzeit verlangsamt sich die Konjunktur in den Teilen der Welt, die eine restriktive Geldpolitik betreiben oder bald betreiben werden, zum Beispiel in den USA und in Ländern, die ihre Währung an den Dollar gekoppelt haben. Im Gegenzug sehen wir ein Europa, das auf den Wachstumspfad zurückgefunden hat und versuchen wird, den seit der Krise aufgelaufenen Rückstand wieder aufzuholen.
Die Bewertungsblasen, die sich in den Schwellenländern und bei den Rohstoffen seit 2003 gebildet haben, platzen jetzt. Das Thema der wirtschaftlichen Globalisierung als Motor der Asset Allocation zugunsten der Schwellenländer wird nun in Klammern gesetzt. Nach den Übertreibungen, die durch die Globalisierung entstanden sind, treten wir nun in eine Phase der wirtschaftlichen Regionalisierung ein, die es Europa ermöglicht, wieder zu einem gewissen relativen Wachstum zurückzufinden.
Dieser zeitliche Versatz der Volkswirtschaften könnte ein Faktor für die Entkoppelung der Börsen sein, die wir im Jahr 2015 nur teilweise erlebt haben.
Aktien – erneut die bevorzugte Anlageklasse
In Fortsetzung des Jahres 2015 wird 2016 wieder ein kompliziertes Börsenjahr werden. Europa erscheint attraktiv und Aktien sollten Anleihen vorgezogen werden. Anleihen sind nach wie vor teuer. Und in Ländern mit Vollbeschäftigung ist ein erneutes Aufflammen der Lohnauseinandersetzungen nach wie vor möglich – was die Märkte in Alarmbereitschaft versetzen würde.
Die Märkte übernehmen immer mehr systemrelevante Funktionen. Man muss mit der überzogenen Volatilität zu leben lernen und sogar versuchen, diese Marktbedingungen in Chancen zu verwandeln. Um diese ergreifen zu können, muss man jedoch unbedingt einen Liquiditätsanteil im Portfolio behalten. Schlussendlich wird die Auswahl der Aktien eine wesentliche Rolle für die Performance spielen, die sie in einem wachstumsschwachen Umfeld liefern. Es ist zu erwarten, dass die Performance verschiedener Strategien und verschiedener geografischer Zonen sehr unterschiedlich ausfällt.
Europäische Unternehmen mit attraktiven Bewertungen und Aussichten
Trotz des recht ungewöhnlichen Umfelds des Jahres 2015 fielen die Ergebnisse der europäischen Unternehmen eher enttäuschend aus. In der Eurozone dürften sie für das Jahr 2015 am Ende noch auf elf Prozent steigen. Allerdings hatten sich die Prognosen zu Jahresbeginn auf rund 17 Prozent belaufen.
Zum ersten Mal seit 2007 gehen die Analysten mit vernünftigen Erwartungen ins neue Jahr: fünf Prozent Gewinnwachstum für die Unternehmen im Stoxx 600 und 7,5 Prozent für die Unternehmen im Eurostoxx. Außer bei einer schweren weltweiten Rezession oder schweren geopolitischen Problemen dürften sich die Abwärtskorrekturen im Laufe des Jahres daher in Grenzen halten.
Dank dieser freundlichen Dynamik ist der Alte Kontinent - und insbesondere die Eurozone - weiterhin die Region, das wir in unseren Portfolios favorisieren sollten.
Ein Markt, der wieder ein für die Value*-Strategie günstiges Gleichgewicht finden dürfte
Im vergangenen Jahr profitierten Qualitätsaktien und Wachstumsaktien am meisten von dem steigenden Markt. Entgegen unseren Hoffnungen vom Jahresbeginn erfolgte keine Verlagerung zugunsten der Value-Aktien, obwohl anscheinend alle entsprechenden Bedingungen gegeben waren und sich in Europa ein konjunktureller Aufschwung abzeichnete. Deshalb bestehen jetzt bedeutende Bewertungsunterschiede zwischen Qualität und Value. Auf dem aktuellen Niveau bietet der Markt zwar noch Kurspotenzial, aber dieses ist eher im Value- als im Growth-Bereich zu suchen.
Wenn das Wachstum Europas nicht aus dem Gleis gerät, dürfte 2016 ein neues Gleichgewicht zwischen den beiden erwähnten Managementstilen entstehen. Ideal wäre natürlich ein nominales BIP-Wachstum in der Eurozone von mindestens 2,5 Prozent, bedingt entweder durch ein Anziehen des konjunkturellen Aufschwungs oder durch das Verschwinden des desinflationären Drucks.
Um unser Vermögen zu bewahren und möglichst aufzuwerten, müssen wir in diesem erneut komplizierten Jahr ungeachtet des Risikoniveaus und der Art der gewählten Anlagen ein mittelfristig ausgerichtetes Management bevorzugen, das auf Überzeugungen ruht.
Jean-Charles Mériaux
Leiter Portfoliomanagement
DNCA Finance