Historische Vergleiche zwischen Marktgegebenheiten aus unterschiedlichen Zeitabschnitten sind nie ganz zutreffend - die Zeiten ändern sich eben, direkte Vergleiche sind deshalb nie perfekt. Zum 30. Jahrestag des Crashs von 1987 zeigen sich jedoch gewisse strukturelle Schwächen, die an das Chaos rund um den 508-Punkte-Absturz des S&P-500 denken lassen. An einem Handelstag verlor der Markt damals über 20% seines Wertes. Auch wenn sich Einbrüche dieser Größenordnung mittlerweile durch Regulationen an den Börsen und Sicherungsmechanismen abfedern lassen, sind Anleger dennoch gut beraten, etwaige Parallelen im heutigen Markt nicht zu übersehen.
Der programmgesteuerte Handel und „Portfolio-Absicherungs“-Strategien spielten höchstwahrscheinlich zentrale Rollen beim Crash von 1987. Trotz fehlender letzter Bestimmtheit der historischen Gründe scheint man aus den Ereignissen von damals wenig gelernt zu haben: quantitative und algorithmische Handelsstrategien sind von ihrem Umfang her geradezu explodiert. Dazu gehören beispielsweise Wachstumsbereiche wie Commodity Trading Advisors (CTAs), Managed Futures-Strategien (allgemein gesprochen), Risikoparitätsprodukte und scheinbar endlos viele sonstige Hedging- bzw. „Vorsorge“-Strategien. Diese Ansätze analysieren und reagieren auf Marktinformationen in Echtzeit und schaffen so Potenzial für erhebliche Feedback-Loops und Preisspiralen. Einige arbeiten dabei mit Momentumindikatoren als zentrale Parameter, die auch zu stärkeren Preisausschlägen führen können - sowohl nach oben als auch nach unten. Zusätzlich finden im Zuge der branchenweiten Konzentration auf Risikomanagement eine ganze Reihe neuer Modelle Anwendung, die Handelsverluste durch Ausrichtung an Volatilitätsniveaus beschränken wollen. Dabei wird bei steigender Volatilität verkauft, bei niedrigerer Volatilität gekauft. Auch wenn sie in ihrer Struktur nicht identisch sind, erinnern doch einige dieser Strategien an die Portfolio-Absicherungs-Taktiken, die oftmals für den historischen Crash verantwortlich gemacht werden.
An und für sich machen viele dieser Produkte vor dem Hintergrund einer durchdachten Portfolioplanung Sinn, weil sie neue Ertragsquellen erschließen, Diversifizierung ermöglichen und Risikomanagement integrieren. Der mögliche Dominoeffekt, der dadurch erzielt wird, dass zu viele Assets zum selben Zeitpunkt in ähnliche Strategien fließen könnten, sollte Anleger allerdings zu denken geben. Die Schöpfer heutiger Modellrechnungen wollen uns zwar glauben machen, dass Risikomanagement-Modelle und -Ansätze den Modellen von damals weit überlegen sind. Wir wollen nicht in Abrede stellen, dass sich Modelle weiterentwickelt haben, Anleger sollten aber durchaus skeptisch bleiben. Denn es ist unwahrscheinlich, dass die Modellrechner und ihre Produktentwickler Mutter Natur und ihre willkürlichen Ereignisse gänzlich unter ihre Kontrolle gebracht haben.
Das aktuelle Marktumfeld ist darüber hinaus durch weitere Faktoren gekennzeichnet, die Ähnlichkeiten mit damals aufweisen. Die US-amerikanische FED hatte gerade begonnen, ihre lockere Geldpolitik umzukehren, die Volkswirtschaft in den USA war schon geraume Zeit auf Wachstumskurs und Anleger waren in Sorge, dass Vermögenswerte ungebührlich hohe Bewertungen aufwiesen. Wie Ende der Achtziger lenkt die Stärke der Weltwirtschaft von ein paar Schwachstellen des Marktes ab. Wir erwarten nun keine Wiederholung der Ereignisse von 1987 - Ereignisse, die einen Paradigmenwechsel einleiten, bleiben aber definitionsgemäß unvorhersehbar. Der so genannte VIX-Level „Angst-Indikator“ ist absurd niedrig und lässt somit gerade das Potenzial künftiger Schocks vermuten. Was immer der Auslöser sein könnte: das Wachstum beim quantitativen und algorithmischen Handel könnte künftige Verluste unserer Ansicht nach ausweiten. Wie im Jahr 1987 steckt der Markt heute in der Klemme. Denn der Privatanleger verfügt über mehr Steuerelemente, seine Vermögenswerte angesichts hoher Bewertungen und zunehmend restriktiver Zentralbanken zu schützen. Insgesamt gesehen könnten der Wunsch nach Verlustabsicherung und die Autopilot-Strategien hingegen Verluste künftig noch verstärken.