Die Nominierung von Jerome Powell für den Posten des US-Notenbankchefs hat keine Erschütterungen ausgelöst. Schließlich setzt er auf die gleichen ökonomischen und geldmarktpolitischen Ansätze wie Janet Yellen. Allerdings gilt er im Hinblick auf das aufsichtsrechtliche Umfeld als marktfreundlicher als Yellen. So geht man davon aus, dass er die Niedrigzinspolitik zwar fortsetzen, bei der Finanzmarkt- und Bankenaufsicht aber Änderungen vornehmen wird. Deshalb kann diese Personalie aus Sicht eines Finanzinvestors an der Wall Street gar nicht falsch sein. Gleichzeitig deckt sich diese Strategie auch mit den Vorstellungen des Weißen Hauses bezüglich der Geldmarktpolitik.
An dieser Stelle kann diese Analyse aber noch nicht zu Ende sein. Powell ist nämlich kein ausgewiesener Spezialist für monetäre Fragen – und das in einer Phase, in der die Fed ihre Geldmarktpolitik wieder normalisiert. Die US-Notenbank hat kürzlich einen außergewöhnlichen Prozess eingeleitet, der eine Anhebung der Zinsen, eine Verringerung des Bilanzumfangs sowie eine Beibehaltung der niedrigen Arbeitslosenquote und einer Inflationsrate von 2% vorsieht. Das Erreichen all dieser Ziele stellt für die Notenbanker vermutlich die schwierigste Aufgabe dar. Und für jemanden, der mit der Theorie der Geldmarktpolitik vielleicht nicht so vertraut ist wie Bernanke und Yellen, kann das durchaus eine wirklich schwierige Aufgabe sein. Warum ist das so? Weil es auf konjunktureller Ebene sowohl positive als auch negative Schocks gibt, auf welche die Geldmarktpolitik dann umgehend reagieren muss. Bisher ist Powell nämlich lediglich der Marschrichtung, die Yellen vorgegeben hat, gefolgt. Was aber passiert, wenn er nun selbst den Weg vorgeben muss? Es ist klar, dass die Personalie des US-Notenbankchefs für die Glaubwürdigkeit der umgesetzten Geldmarktpolitik entscheidend ist. Gut beobachten ließ sich dies beispielsweise im Euroraum, wo die Nominierung von Mario Draghi die Dinge grundlegend verändert und die Eurozone damit möglicherweise gerettet hat.
Es wird interessant sein, die Lage zu beobachten. Wir können also nicht einfach davon ausgehen, dass Powell auf jeden Fall an die Geldmarktpolitik seiner Vorgängerin anknüpfen wird. Er wird ganz anders an die monetäre Strategie herangehen. Und wir wissen auch nicht, wie er ganz persönlich auf eine Schocksituation reagieren wird.
Eine zweite Frage betrifft seine Pläne bezüglich des aufsichtsrechtlichen Umfelds. In dieser Hinsicht verfolgt er einen anderen Ansatz als Janet Yellen, die ja eher eine strengere Regulierung bevorzugt.
Nein, auch auf monetärer Ebene wird Yellens Strategie also wohl nicht 1:1 fortgeführt werden. Und ich bin davon überzeugt, dass es dabei um mehr als lediglich geringfügige Unterschiede gehen wird. Entscheidend wird auch sein, wie sich Janet Yellen in Zukunft verhalten wird. Ihr Mandat als Fed-Mitglied läuft nämlich eigentlich erst im Januar 2024 aus. Aber wird sie dieses Mandat weiterhin wahrnehmen, nachdem Präsident Trump sie als Notenbankchefin abgesetzt hat? Ihre Pressemeldung, die sie nach der Nominierung von Powell herausgegeben hat, spricht dafür, dass sie zumindest für den Moment bleiben wird, um auf diese Weise einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Das wäre dann natürlich das denkbar beste Szenario.
Interessant wird in den nächsten Monaten auch, auf welche Art und Weise Powell die Unabhängigkeit der Fed gewährleisten wird. Seine Beziehungen zum Weißen Haus sind in diesem Zusammenhang spannend, da man dort ja gerne alles fernsteuern möchte. Und wir wissen auch, dass Trump die aktuelle Regulierungspolitik der Fed sowie das momentane Zinsniveau sehr kritisch beurteilt. Wird Powell also entsprechenden Empfehlungen des Weißen Hauses folgen? Dieser Aspekt wird für die Glaubwürdigkeit der Fed aber ganz entscheidend sein. Die andere Frage ist die, wie die US-Notenbank reagieren wird, falls die Republikaner im Kongress die Umsetzung einer geldmarktpolitischen Strategie (ähnlich der „Taylor Rule“) fordern sollten. Bernanke und Yellen haben sich stets geweigert, sich in ein solches Korsett zwängen zu lassen. Wie jedoch wird sich Powell in einem solchen Fall verhalten? Falls die Fed eine Art „Taylor Rule“ umsetzen sollte, ist ihre Unabhängigkeit nicht länger gegeben.
Die Nominierung von Powell für das Amt des US-Notenbankchefs war keine Überraschung. Zumal er seit seiner Berufung in den Fed-Vorstand im Jahr 2012 auch nicht für grundlegende Veränderungen steht. In seiner gesamten Zeit bei der Fed war er am Ende des Tages auch nie derjenige, der wirklich entschieden hat, was zu tun war. Deshalb kann es in seiner Zukunft wesentlich komplizierter werden: Wenn nichts passiert, ist es zwar einfach (wie bei einer Art großen Moderatisierung), aber falls es zu Schocks kommen sollte, kann sich das Ganze erheblich verkomplizieren, denn dann wird er umgehend einige sehr schwere Entscheidungen treffen müssen. Sein Mangel an volkswirtschaftlichem Know-how könnte sich aus jetziger Sicht dann als problematisch erweisen – obwohl ihm ein sehr kompetentes Team zur Seite steht. Fraglich ist auch, wie er den Deregulierungsprozess umsetzen wird. Wird er dabei zurückhaltend agieren oder doch umfangreichere Maßnahmen einleiten?
Zurzeit gibt es also mehr Fragen als Antworten. Klar ist jedoch, dass Powell mit der Normalisierung der Geldmarktpolitik und der Verhinderung einer neuerlichen Krise vor enorm schwierigen Aufgaben steht. Darüber hinaus ist anzumerken, dass drei Posten im 7-köpfigen Fed-Vorstand bisher noch nicht besetzt worden sind. Zwei Mitglieder hat Donald Trump aber bereits ernannt: Randal Quarles, der vom Kongress noch bestätigt werden muss, sowie den designierten Notenbankchef Jerome Powell. Mit drei weiteren Neubesetzungen oder möglicherweise sogar vier, falls Janet Yellen vorzeitig aus ihrem Amt scheiden sollte, dürfte der Fed-Vorstand in Zukunft ganz anders agieren als unter der Führung von Bernanke und Yellen. Und die Rolle, die Powell dabei spielt, wird deshalb noch bedeutsamer sein.