„Wir befinden uns wahrscheinlich an einem Wendepunkt, an dem sich die Debatte nicht mehr auf die Inflation, sondern auf das Wachstum konzentrieren wird. Zuletzt hat sich die Aufmerksamkeit der Märkte vor allem auf die Inflationsentwicklung fokussiert. Neues gibt es hier allerdings kaum noch zu hören. Dieser Debatte geht also langsam die Luft aus. Märkte reagieren oftmals monothematisch und auf ein Thema zugespitzt. Nun sieht es danach aus, dass der Markt seine Fokussierung ändern und sich auf das Thema Wachstum konzentrieren könnte. Die Unsicherheit über den Verlauf der Konjunktur jedenfalls wächst. Zwar zeigen die aktuelle Berichtssaison sowie viele makroökonomische Indikatoren eine überraschende Widerstandsfähigkeit. Nicht zuletzt der Krieg gegen die Ukraine lässt jedoch befürchten, dass das Wachstumstempo nachlässt.
Die Zentralbanken stehen hier unter genauer Beobachtung. Die Frage ist, wie weit sie bei der Bekämpfung der Inflation zu gehen bereit sind? Könnte eine veränderte Notenbankpolitik die Wirtschaft weiter abbremsen oder gar einen Finanzschock auslösen? Der berühmte "Put" der Fed ist verschwunden, aber bis wann? Das Ende des QE-Programms der EZB gibt den Spreads in den Peripherieländern eine gewisse Freiheit zurück, was alte Ängste hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wieder aufleben lässt. Aber wo liegt die Schmerzgrenze der EZB? Diese Frage ist ein zentraler Unsicherheitsfaktor für den Wachstumspfad.
Risikoorientierte Anlagen geraten damit in ein schwieriges Fahrwasser. Der während der Covid-Krise eingeführte Policy-Mix war von beispiellosem Ausmaß. Auch wenn diese Maßnahmen voll und ganz gerechtfertigt waren, ist eine Normalisierung unvermeidlich. Wir befinden uns mitten in diesem Prozess. Die Risikoprämien steigen wieder an. Nach unseren Modellen ist dies aber eher eine Rückkehr zur Normalität als eine Übertreibung. Die zunehmende Unsicherheit dürfte den Trend jedoch verstärken. Für eine konstruktivere Haltung gegenüber risikobehafteten Vermögenswerten müssen wir wahrscheinlich den Zeitpunkt abwarten, an dem die Zentralbanken von der geldpolitischen Straffung abrücken. In der Zwischenzeit sollten wir vorsichtig sein und auf Sicht fahren.
Denn vollständigen Bericht von Ibrahima Kobar finden Sie hier.