Section 899: US-Steuerwaffe mit Sprengkraft für Europas Börsen

Natixis Investment Managers | 24.06.2025 08:59 Uhr
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest / © e-fundresearch.com / DNCA Invest
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest / © e-fundresearch.com / DNCA Invest

Section 899 ist kein Actionfilm, sondern eine unscheinbare Klausel im 1.117 Seiten starken Haushaltsentwurf der Trump-Administration, der nach knapper Zustimmung im Repräsentantenhaus nun den US-Senat beschäftigt. Ob Elon Musk mit seiner Kritik am „One Big Beautiful Bill“ als „widerwärtige Abscheulichkeit“ genau diese Passage meint, bleibt offen. Ein Präsident, der Steuern senkt, wie ein Republikaner und gleichzeitig ausgibt wie ein Demokrat, könnte mit Section 899 ein zusätzliches Druckmittel in den Handelsgesprächen schaffen.

Denn die aktuelle Fassung erlaubt gezielte steuerliche Vergeltungsmaßnahmen gegen Personen, Unternehmen oder Regierungen aus Ländern, die "unfaire Steuern" auf US-Produkte und -Dienstleistungen erheben. Diese würden über eine Quellensteuer erhoben, beginnend bei 5% und jährlich steigend um 5 Prozentpunkte bis maximal 20%. Damit würden zahlreiche Finanzflüsse mit Auslandsbezug deutlich höher belastet. Laut dem Joint Committee on Taxation könnten so innerhalb von zehn Jahren rund 116 Milliarden US-Dollar generiert werden.

Im Visier stehen insbesondere börsennotierte Unternehmen mit Steuersitz in Staaten wie dem Vereinigten Königreich oder der EU, die mehrheitlich ausländischen Eigentümern gehören. Rund ein Viertel der Umsätze im Stoxx600 stammt aus den USA – ein klarer Belastungsfaktor für europäische Aktien. Goldman Sachs schätzt die Auswirkungen auf die Gewinne je Aktie des Index im ersten Jahr auf minus 1 bis 2%, auf Sicht von vier Jahren könnte der Effekt bis zu 5% betragen.

Die Einschätzung von George Saravelos, Devisenchef der Deutschen Bank, unterstreicht die Unsicherheit rund um die Initiative. Der Begriff "unfaire Steuern" sei zu subjektiv: "Wir sehen in dieser Gesetzgebung eine Möglichkeit für die US-Regierung, einen Handelskrieg in einen Kapitalmarktkrieg zu verwandeln." Der amerikanische Exzeptionalismus gerät weiter ins Wanken, Investitionen ausländischer Unternehmen in den USA könnten zunehmend hinterfragt werden.

Gleichzeitig hat die deutsche Regierung erste Teile ihres Konjunkturprogramms beschlossen, darunter steuerliche Erleichterungen für Unternehmen. Stimmen aus der Praxis zeichnen ein optimistisches Bild. Die Commerzbank etwa sprach auf einer Pariser Konferenz von einem gestarteten Wandel und einem klaren Fokus auf einen 100-Tage-Plan. Auch Vonovia, mit Blick auf den neuen Bauminister, zeigt sich zuversichtlich.

Vor diesem Hintergrund ist die Outperformance eurozonenexponierter Aktien (+20% seit Jahresbeginn) gegenüber USA-orientierten Titeln (0%) wenig überraschend. Die Differenz reflektiert die protektionistische Neuausrichtung vieler Investoren angesichts anhaltender Zolldiskussionen und politischer Veränderungen in Deutschland. Symbolisch wirkt der Austausch von Kering (Gucci, KGV 2026: 19x) gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall (KGV 2026: 39x) im EuroStoxx50.

Unabhängig vom Shift zwischen exportorientierten und inländischen Unternehmen profitieren aktuell insbesondere kleinere und mittelgroße Titel der Eurozone. Sie sind günstiger bewertet (KGV 2026: 12x für den MSCI EMU Small Cap vs. 13,8x für den MSCI EMU und 20,4x für den S&P500), stärker auf den Heimatmarkt fokussiert und gut positioniert, um von steigenden Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung zu profitieren. Angesichts von Section 899 gilt: Small is Beautiful!

von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Investments

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