Der Sommer begann unter günstigen Bedingungen an den Finanzmärkten. Die Aussicht auf Zinssenkungen der Fed beflügelte die Rallye risikobehafteter Anlagen. J. Powell stellte bei seiner Rede in Jackson Hole eine Zinssenkung im September in Aussicht, betonte jedoch, dass die Federal Reserve weiterhin datenabhängig agiert. Gegen Ende August kehrte sich dieser Trend um – ausgelöst durch Sorgen um die Unabhängigkeit der Fed und neue Zollandrohungen seitens der US-Regierung. In Europa sorgte die überraschende Ankündigung von Premierminister F. Bayrou, am 8. September im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen, für Druck auf französische Finanzwerte. Diese Entscheidung, die weiterhin viele Fragen aufwirft, kommt in einem ohnehin instabilen internationalen Kontext.
Handelskrieg: Die Unsicherheit bleibt hoch
D. Trump hat die durchschnittlichen Zölle auf ausländische Waren auf den höchsten Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs angehoben – auf 17,3%. Bisher haben sich die Zollanhebungen nicht auf die Verbraucherpreise ausgewirkt, da hohe Lagerbestände (Käufe in Erwartung von Zöllen) und die Übernahme der Zölle durch amerikanische Unternehmen dies abfederten. Dieser Trend könnte sich jedoch rasch umkehren, wie der Anstieg des Produzentenpreisindex im Juli um 3,7% gegenüber dem Vorjahr zeigt – der höchste Wert seit März. Ausländische Unternehmen könnten gezwungen sein, ihre Preise anzuheben und dadurch Marktanteile zu verlieren. Besonders hart trifft es Firmen mit starker Ausrichtung auf den US-Markt.
Die Zölle sind zudem in Schlüsselsektoren wie Aluminium, Stahl und Kupfer mit 50% sehr hoch. Im August erweiterte die US-Regierung überraschend die Liste von Aluminium- und Stahlimporten, die mit 50% Zoll belegt werden, auf 400 abgeleitete Produkte – darunter Mobilkräne, Kinderwagen, Motorradteile, Feuerlöscher und Teile für Haushaltsgeräte. Auch Kupferimporte sind betroffen, und die Liste der Kupferprodukte könnte ebenfalls ausgeweitet werden. Diese Entscheidung droht, Produktionsketten in den USA zu verzerren, Engpässe zu schaffen und dadurch inflationsfördernd zu wirken.
Hinzu kommen neue Drohungen mit zusätzlichen Zöllen gegen Länder, die US-Technologieunternehmen „diskriminieren“. Besonders die Europäische Union ist ins Visier geraten – wegen ihrer Regulierung des digitalen Sektors. Gleichzeitig verschafft ihr dies aber ein starkes Verhandlungsinstrument, da die bilaterale Handelsbilanz zwischen den USA und der EU im Dienstleistungssektor einen Überschuss aufweist. Im Rahmen des am 25. Juli unterzeichneten Handelsabkommens verzichteten die Europäer auf alle Zwangsmaßnahmen gegen US-Produkte im Gegenzug für einen Zollsatz von 15% auf die meisten ihrer Produkte. Wird die EU auf diesen wichtigen Verhandlungsvorteil verzichten und D. Trump damit den Erfolg in seinem Wirtschaftsprojekt ermöglichen, wo man eigentlich mit einem Scheitern rechnete?
Fed: Die Unabhängigkeit zunehmend bedroht
Die Spannungen um die Unabhängigkeit der Fed verschärften sich, als D. Trump versuchte, Gouverneurin Lisa Cook mit sofortiger Wirkung abzusetzen. Sollte dies gelingen, wäre es ein historischer Präzedenzfall und würde das Ende der Unabhängigkeit der 111 Jahre alten Institution markieren. D. Trump hätte dann vier Mitglieder im Board of Governors, die seine Ansicht teilen, dass die Zinsen gesenkt werden sollten. Dies wirft auch Fragen hinsichtlich der Einhaltung des Doppelmandats der Fed auf, das Beschäftigung und Preisstabilität umfasst.
Das Weiße Haus prüft zudem Möglichkeiten, den zwölf regionalen Feds mehr Einfluss zu geben, da fünf der zwölf Präsidenten im FOMC stimmberechtigt sind. Alle fünf Jahre müssen die Präsidenten der Regionalbanken durch das Board bestätigt werden. Die nächste Überprüfung steht im ersten Quartal 2026 an. Theoretisch könnte eine Mehrheit die Machtverhältnisse unter den regionalen Präsidenten verändern. Die Amtszeit von J. Powell endet im Mai 2026.
Die wachsenden Bedrohungen für die Unabhängigkeit der Fed haben Inflationsängste verstärkt, zusätzlich zu den Sorgen über das Haushaltsdefizit. Infolgedessen ist die 2-jährige US-Inflations-Swap-Rate auf 3% gestiegen – der höchste Stand seit September 2022, als die Inflation über 8% lag und die Fed die Zinsen kräftig anhob.
Staatsanleihemärkte beginnen, Gefahr zu wittern
Trotz der weltweiten geldpolitischen Lockerungsrunde sind die langfristigen Zinsen weiter gestiegen, was zu einer Steilung der Zinskurven in den großen Währungsräumen geführt hat. Dies spiegelt die von Investoren geforderte Risikoprämie wider, die mit steigenden fiskalischen und inflationären Risiken verbunden ist.
In Japan belasteten die Aussicht auf umfangreiche Neuemissionen von Staatsanleihen und Inflationssorgen das lange Ende der Kurve. Die 30-jährige Rendite stieg auf 3,2% – den höchsten Wert seit 1999. Japanische institutionelle Anleger, die traditionell massiv in ausländische Anleihen investiert hatten (vor allem in US-Treasuries aufgrund der Nullzinsen im Inland), dürften nun stärker auf heimische Staatsanleihen setzen.
In Großbritannien erreichten die langfristigen Zinsen den höchsten Stand seit 1998: Die 10-jährige Rendite stieg auf 4,75% – der höchste Wert im internationalen Vergleich. Dies spiegelt die hartnäckige Inflation ebenso wider wie das politische Risiko.
In Europa richtet sich die Aufmerksamkeit naturgemäß auf Frankreichs Haushaltssituation. Das von Premierminister F. Bayrou am 8. September beantragte Vertrauensvotum droht Frankreich in eine tiefe politische Krise zu stürzen. Der OAT/Bund-Spread weitete sich auf 82 Basispunkte aus – nahe dem Höchststand von 88 Punkten, der vor dem Sturz der Regierung Barnier im Dezember 2024 erreicht worden war. Die 30-jährige Rendite kletterte auf 4,42% und damit auf den höchsten Wert seit 2011. Der OAT/BTP-Spread auf zehn Jahre stieg auf 6 Basispunkte, was bedeutet, dass die Refinanzierungskosten Frankreichs über denen Italiens liegen. Vorrang für die Regierung hat es nun, eine tiefere politische Krise wie eine erneute Auflösung zu vermeiden, um den Schuldendruck nicht zu verschärfen, und außerdem eine Herabstufung durch die Ratingagenturen abzuwenden. Fitch (12. September) und S&P (28. November) haben bereits einen negativen Ausblick vergeben und drohen, die Bonität von AA- auf A+ zu senken.
Schwellenländer intensivieren Kooperation mit China
Die aggressive Politik von D. Trump hat viele Länder dazu bewegt, ihre wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit mit China auszubauen. Da China selbst von US-Zöllen von fast 50% betroffen ist, sucht es verstärkt nach alternativen Handelspartnern und Lieferanten.
China hat seine Handelspartner rasch diversifiziert, um den Verlust von Marktanteilen in den USA auszugleichen. Besonders Afrika steht im Fokus: Die Exporte dorthin stiegen 2025 um 25% auf 122 Mrd. USD – schneller als in andere Regionen. Nigeria, Südafrika und Ägypten sind die wichtigsten Zielländer. Afrika macht zwar nur 6% der chinesischen Gesamtexporte aus, also etwa die Hälfte des US-Anteils, dürfte jedoch bald an Bedeutung gewinnen. Mehrere afrikanische Länder erhalten Zollfreiheit (0%) für bestimmte Güter, um den Zugang zum chinesischen Markt zu fördern und gleichzeitig den hohen Infrastrukturbedarf zu decken. Zudem kann China so seine Produktionsüberkapazitäten – etwa bei Solarpanelen – nach Afrika umleiten; die Importe dort stiegen um 60%.
Auch finanziell intensiviert China die Zusammenarbeit. Kenia verhandelt mit Peking, seine Dollar-Schulden in Yuan umzuwandeln und die Laufzeiten zu verlängern. Damit könnte das Land seine jährlichen Schuldendienste von 1 Mrd. USD deutlich senken. Insgesamt schuldet Kenia China mehr als 5 Mrd. USD; eine Umwandlung in Yuan würde die Zinslast halbieren und fiskalische Spielräume schaffen.
Indien, Washingtons wichtigster Verbündeter gegen China, sucht nach den jüngsten US-Zollerhöhungen (auf 50% wegen russischem Öl und Rüstungsgütern) vorsichtig den Dialog mit Peking. Der indische Premierminister wird Xi Jinping kommende Woche am Rande des SCO-Gipfels zum ersten Mal seit sieben Jahren treffen. Der Handel zwischen den zentralasiatischen Staaten und China belief sich 2024 auf 94 Mrd. USD – deutlich mehr als mit der EU oder Russland. Die Zölle treffen die indische Wirtschaft hart, da die USA mit 86,5 Mrd. USD pro Jahr ihr größter Exportmarkt sind – zwei Drittel davon sind nun von neuen Zöllen auf Textilien bis Schmuck betroffen. Indien und China dürften auch über die Wiederaufnahme ihres Grenzhandels sprechen, der wegen militärischer Spannungen seit fünf Jahren ausgesetzt ist.
Fazit
Der Handelskrieg und die Bedrohung der Unabhängigkeit der Fed schaffen ein unsicheres Umfeld für die Finanzmärkte, das die Volatilität – bislang auf Jahrestiefs – wieder ansteigen lassen dürfte. Während die USA eine protektionistische Politik verfolgen, verstärken die Schwellenländer paradoxerweise ihre wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit, suchen nach Alternativen und diversifizieren ihre Handelsbeziehungen – insbesondere mit China. Diese Dynamik könnte die globalen Handelsbeziehungen neu definieren, während interne Herausforderungen – wie die Haushaltssituation Frankreichs – die ohnehin fragile Weltwirtschaft zusätzlich belasten.
Von Zouhoure Bousbih, Emerging Markets Strategist bei Ostrum AM
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