CIO Weekly | Spannende Rohstoffe

Nicht nur unser Basisszenario dürfte gut für Rohstoffe sein. Auch wenn Extremrisiken eintreten, können Rohstoffe andere Assetklassen hinter sich lassen und ein Portfolio stabilisieren. Neuberger Berman | 24.04.2024 11:29 Uhr
Hakan Kaya, Senior Portfolio Manager – Commodities und Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Hakan Kaya, Senior Portfolio Manager – Commodities und Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Letzte Woche ist unser Asset Allocation Committee Outlook für das 2. Quartal erschienen. Unter anderem behalten wir die Übergewichtung von Rohstoffen vom Jahresbeginn bei.

Abgesehen von der zweiten Jahreshälfte 2023, in der wir sie nur neutral einschätzten, sind wir für Rohstoffe schon seit Oktober 2020 optimistisch. Damals begründeten wir das mit der absehbaren Reflation, da wir mit einer baldigen Entspannung der Coronalage rechneten. Nur wenige Wochen später wurde über einen vielversprechenden Impfstoff berichtet.

Seitdem ist viel passiert. Warum aber haben wir so konsequent auf eine Übergewichtung von Rohstoffen gesetzt, und warum bleiben wir auch jetzt dabei?

Störungen

Rohstoffe sind unserer Ansicht nach in drei Marktszenarien erfolgreich.

In der Reflation: Wenn sich das Wirtschaftswachstum nach einem Abschwung erholt und Verbraucher wie Unternehmen ihre Lager wieder auffüllen, steigt die Rohstoffnachfrage.

Bei hoher Inflation – oder genauer – bei einem unerwarteten Inflationsschock: Oft ist ein plötzlicher Rohstoffpreisanstieg der Grund, sei es durch unerwartete Angebotsstörungen oder eine überraschend hohe Nachfrage.

Schließlich steigen die Rohstoffpreise oft auch bei einer unsicheren Weltlage: Auslöser können Konflikte und Kriege sein, die die Förderung erschweren und damit die Teuerung anheizen. Das gilt erst recht bei Auseinandersetzungen in einer Region, in der wichtige Rohstoffe wie Öl gefördert werden oder die für ihren Transport wichtig ist. Oft steigt die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher schon, wenn sie Angebotsprobleme nur fürchten – und oft profitiert auch Gold, gilt es doch als der sichere Hafen schlechthin.

Ein günstiges Umfeld

2021 waren wir für Rohstoffe wegen der Reflation nach Corona optimistisch. 2022 war unsere Übergewichtung am höchsten, rechneten wir doch damit, dass aus Reflation Inflation werden würde: Ein überraschender Nachfrageanstieg durch eine expansive Fiskalpolitik traf auf gestörte Lieferketten, und Russlands Einmarsch in die Ukraine machte die Weltlage sehr viel unsicherer.

Letztes Jahr hätte das Patt in der Ukraine die Weltlage stabilisieren können, und nach dem raschen Zinsanstieg schien ein Abschwung samt Deflation denkbar. Vor allem deshalb wechselten wir in der zweiten Jahreshälfte 2023 zu einer neutralen Einschätzung. Doch dann hat sich die Konjunktur zwar abgeschwächt, war aber wesentlich stabiler als weithin erwartet – und der Angriff der Hamas auf Israel schuf einen weiteren Unsicherheitsfaktor in einer rohstoffreichen Region.

Auch für 2024 erwarten wir deshalb Reflation und eine unsichere Weltlage – und schließen das Extremrisiko einer erneut hohen Inflation nicht aus. Das spricht für Rohstoffe als Kernposition, um vom Wirtschaftswachstum zu profitieren, oder um sich vor einem überraschenden Preisanstieg zu schützen.

Reflation

Rohstoffe machen gerade Schlagzeilen. Seit Jahresbeginn wurden Rohöl um 18% und Gold um 16% teurer. Die beispiellosen Engpässe am Kakaomarkt, ausgelöst durch schlechtes Wetter und Hamsterkäufe, ließen hier den Preis seit Jahresbeginn sogar schon um 140% steigen.

Unser Basisszenario bleibt die Reflation – ein recht hohes Nominalwachstum durch eine hartnäckige Teuerung und eine Erholung der Weltwirtschaft. Das könnte nicht nur Aktien, sondern auch Rohstoffen guttun.

In den letzten drei Wochen erlebten wir einen weiteren sehr starken US-Arbeitsmarktbericht – nach den sehr hohen US-Einzelhandelsumsätzen und einer erneut besseren Weltwirtschaftsprognose des Internationalen Währungsfonds die dritte Datenveröffentlichung in Folge, die für eine höhere Teuerung spricht. Selbst China, wo die Konjunktur seit Corona schwach war, hat durch Konjunkturprogramme im 1. Quartal ein unerwartet hohes Wachstum von 5,3% z.Vj. erreicht. Die Rezession des Verarbeitenden Gewerbes aus dem letzten Jahr scheint vorbei und vor allem in Europa werden die Rohstofflager wieder aufgefüllt.

Unserer Ansicht nach ist all das günstig für Energierohstoffe und Industriemetalle.

Meist wächst die Ölnachfrage etwa halb so stark wie die Weltwirtschaft, und in den letzten sechs Monaten wurden die Lagerbestände schneller abgebaut als normal. Beim aktuellen Wachstumsausblick könnte die Nachfrage unserer Ansicht nach um 1,55 Millionen Barrel täglich steigen. Die OPEC bleibt bei einer zurückhaltenden Förderpolitik und nur wenig spricht dafür, dass amerikanisches Öl die Lücke füllen kann. Es könnte also schwierig werden, den Bedarf zu decken.

Die strukturelle Nachfrage nach Kupfer und anderen Industriemetallen halten wir schon jetzt für hoch, da sie für die Elektrifizierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft ebenso wichtig sind wie für den Ausbau des 5G-Netzes und Datenzentren. Hinzu kommt die Erholung der Industriekonjunktur. Auch profitieren diese Rohstoffe traditionell besonders stark von Zinssenkungen außerhalb einer Rezession.

Risiken

Auch die beiden aus unserer Sicht wahrscheinlichsten Risiken wären für Rohstoffe wohl gut.

Da ist zunächst die unsichere Weltlage. Die jüngste Eskalation des Konflikts zwischen Israel und dem Iran zeigt, wie anfällig die iranische Ölförderung und die Öltransporte durch die Straße von Hormus sind. Zwar halten wir eine vollständige Blockade durch den Iran für unwahrscheinlich, weil der Oman die Schiffsrouten kontrolliert. Dennoch wachsen die Risiken für die Ölinfrastruktur, und auch einzelne Angriffe durch Irans Verbündete sind nicht auszuschließen.

Auch der Krieg in der Ukraine birgt noch immer Risiken. Ukrainische Angriffe auf russische Raffinerien sorgen für erhebliche Störungen, und auch die russischen Exporthäfen sind bedroht. Hinzu kommen neue Sanktionen gegen russische Industriemetalle.

Daneben können auch kleinere politische Konflikte große Folgen haben. Denken Sie etwa an die Cobre-Kupfermine in Panama. Ihr kanadischer Eigentümer, First Quantum, musste sie schließen – nach öffentlichem Druck und einer Entscheidung des obersten panamaischen Gerichts, dass die Vertragsbedingungen verfassungswidrig seien. Dadurch könnte das Weltkupferangebot um bis zu 2% fallen. Knapp war es schon vorher aufgrund der hohen Kosten und der Förderkürzungen von Anglo American.

Das zweite Risiko ist eine Rückkehr zu einer problematisch hohen Inflation – oder, eng damit verbunden, von Zweifeln an Staatsfinanzen und Währungsstabilität. Neben der schwierigeren Lage im Nahen Osten scheint das ein wichtiger Grund für die diesjährige Gold- und Silberrallye zu sein. Unserer Ansicht nach profitieren Edelmetalle nicht nur von der strukturellen Dekarbonisierung, sondern auch davon, dass man sich mit ihnen gegen eine Überhitzung der Konjunktur absichern kann.

Einzigartig

Die wichtigste Erkenntnis unseres Asset Allocation Committee Outlook ist, dass man „breit und ausgewogen“ investieren soll. Wir glauben, dass die zwar hartnäckige, aber doch fallende Inflation und das hohe Nominalwachstum risikoreichen Titeln grundsätzlich nützen. Andererseits sind manche Assetklassen und Marktsegmente aber schon jetzt recht teuer. Zusammen mit der Inflation und den weltpolitischen Inflationsrisiken spricht das für ein breites und ausgewogenes Portfolio.

Rohstoffe können darin eine wichtige Rolle spielen. Vor allem dank ihrer Vielfalt und der einzigartigen Angebots- und Nachfragedynamik halten wir sie für eine der wenigen Assetklassen, denen unser Basisszenario für 2024 hilft. Und wenn die Extremrisiken Realität werden, ist erheblicher Mehrertrag möglich.

Von Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class und Hakan Kaya, Senior Portfolio Manager – Commodities bei Neuberger Berman

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