e-fundresearch.com: Was genau kann man unter der „Asymmetrie“ von Wandelanleihen verstehen?
André Riesen: Unter Asymmetrie versteht man die Eigenschaft von Wandelanleihen, wonach sie auf positive Kursentwicklung der zugrunde liegenden Aktie stärker reagieren als auf negative – d.h. die Chancen nach oben sind grösser als die Risiken nach unten. Ganz entscheidend dabei ist das Verhältnis zwischen der Partizipation an den entsprechenden Basiswerten (Optionalität) und dem Bondfloor (Schutz bei sinkenden Aktienkursen). Sobald sich zum Beispiel eine Wandelanleihe in Richtung Parität bewegt, profitieren die Anleger zwar bei weiter ansteigenden Kursen im Basiswert auf hohem Niveau, allerdings fehlt dann zunehmend auch das schützende Element des Bondfloors. Im umgekehrten Fall wiederum, ist dann genau das Gegenteil der Fall: Die benötigte Partizipation am Basiswert fällt zu gering aus, als dass sie genügend für die verglichen mit einer gewöhnlichen Unternehmensanleihe tieferen Zinszahlungen entschädigt. Im Bereich dazwischen hingegen ist das Verhältnis zwischen Partizipation am Basiswert und Schutz des Bondfloors am optimalsten. Da im Bereich zwischen den beiden Extremen einerseits gute Chancen bestehen, dass mit der in der Wandelanleihe eingebetteten Option einen Gewinn erzielt werden kann, und andererseits der schützende Bondfloor noch in Reichweite liegt, verläuft das Preisverhalten in diesem Bereich besonders asymmetrisch – die Mathematik bezeichnet dieses Preisverhalten als „Gamma-Effekt“. Aufgrund dieser mathematischen Tatsache kann also durchaus die Äusserung getroffen werden, dass die Asymmetrie bei den Wandelanleihen naturgegeben ist. Allerdings müssen zwei Elemente zwingend erfüllt sein. Einerseits muss der Bondfloor eine hohe Stabilität aufweisen und andererseits sind die einzelnen Lebenszyklen (eher Bondcharakter / hybrid oder eher Aktiencharakter) der entsprechenden Wandelanleihen zu berücksichtigen. Wandelanleihen welche quasi auf dem Bondfloor handeln oder Wandelanleihen, welche das Paritätsniveau schon beinahe erreicht haben, weisen faktisch fast keine Asymmetrie mehr auf. Ein Wandelanleihenportfolio sollte als Gesamtes betrachtet im hybriden Bereich positioniert sein, ansonsten die asymmetrischen Charaktereigenschaften massiv verwässert werden.
e-fundresearch.com: Wir nähern uns mit großen Schritten dem letzten Quartal von 2014: Was waren Ihrer Einschätzung nach im bisherigen Jahresverlauf die bislang signifikantesten Trends am globalen Convertibles-Markt?
André Riesen: Einer der signifikantesten Trends am globalen Wandelanleihenmarkt war das Neuemissionsgeschäft. Die Neuemissionen haben in jüngster Zeit, mal abgesehen vom jährlich wiederkehrenden Sommerloch (Juli/August), deutlich zugenommen. Was dabei besonders bemerkenswert ist, dass sich der Einsatz des Finanzierungsinstrument Wandelanleihe emittentenseitig immer mehr von der klassischen Wachstumsfinanzierung hin zur Bilanzstrukturierung verlagert. Viele zyklische Unternehmen mit schwachen Bilanzstrukturen haben diesen Schritt teilweise schon vollzogen, wobei sich auch defensive Unternehmen mit soliden Bilanzstrukturen zunehmend mit diesem Thema auseinandersetzen. Eine höhere Investitionstätigkeit seitens dieser Unternehmen oder schwieriger werdende Refinanzierungsverhältnisse am Kapitalmarkt dürften diese Entwicklung noch deutlich beschleunigen. Der dominierende Hintergrund dabei ist, dass durch die Emission einer Wandelanleihe die Bilanzstruktur verbessert wird (Vorsorgecharakter), was die Gefahr einer Ratingabstufung weiter reduziert (Kreditkosten schwächen auf der Zeitachse das Eigenkapital). Eine Ratingabstufung würde deutlich höhere Kosten zur Folge haben im Vergleich zu den entstehenden Kosten bei einer indirekten Kapitalaufnahme. Gleichzeitig haben wir feststellen können, dass Wandelanleihen als Asset Klasse oder zumindest als Beimischung in einem Rentenportfolio bei vielen institutionellen Investoren an Bedeutung massiv zugenommen hat. Als direkte Folge der umfangreichen Liquiditätsflutungen seitens der wichtigsten Notenbanken, finden wir heute ein Zins- und Creditspreadniveau vor, welches die Herausforderungen insbesondere für Anleihen-Investoren immer höher steigen lässt. Dass dabei die Wandelanleihen sich bei vielen Anlegern immer grösserer Beliebtheit erfreuen erstaunt daher kaum, denn durch die asymmetrische Partizipation an den entsprechend zugrunde liegenden Aktienkursen bieten sich weiterhin valable Ertragschancen an, welche an den klassischen Anleihenmärkten kaum mehr als solche identifiziert werden können. Der dadurch vorhandene Kapital-Inflow in die Asset Klasse Wandelanleihen wird kombiniert mit dem wachsenden Angebot (Neuemissionen) weiterhin für stabile Verhältnisse sorgen und somit die ideale Basis für auf Asymmetrie ausgerichtete Wandelanleihenstrategien bilden.