Biotech: Wie viel Potenzial steckt im Sektor?

Nach einer längeren Phase massiver Outperformance stellen sich Investoren zunehmend die Frage, ob die Bewertungen im Biotechnologie-Sektor überhaupt noch fundamental gerechtfertigt sind: In einem exklusiven Experten-Interview gehen Harald Schwarz und Mario Linimeier (beide Medical Strategy GmbH) auf die verbreitetsten Investorenbedenken ein und erklären, warum es sich insbesondere im Biotech-Sektor lohnt, auch kleinere Unternehmen zu berücksichtigen und stets den langfristigen Anlageerfolg im Auge zu behalten. Markets |
Mario Linimeier, Medical Strategy GmbH
Mario Linimeier, Medical Strategy GmbH

e-fundresearch.com: Ein Biotech-Exposure würde sich auch kostengünstig durch einen ETF realisieren lassen – warum sollten Investoren zur aktiven Fondslösung greifen?

Mario Linimeier: Der Biotech-Sektor ist ein stark heterogener Markt und ist durch sehr hohe Entwicklungsrisiken geprägt. Dementsprechend hängt der Investmenterfolg entscheidend von der Titelselektion und einer gründlichen Due Diligence ab. Um die Chancen einer erfolgreichen Produktentwicklung abschätzen zu können ist eine tiefgreifende wissenschaftliche Analyse von Technologien und Wirkstoffkandidaten erforderlich. Zudem müssen laufend branchen- und unternehmensspezifische Ereignisse – wie etwa Ergebnisse zu klinischen Studien – im Investmentprozess berücksichtigt und entsprechende Umschichtungen im Portfolio vorgenommen werden. Ein ETF kann dies nicht leisten.

e-fundresearch.com: Warum liegt Ihr Investment-Fokus auf Biotech-Small- und Mid Caps?

Harald Schwarz: Therapeutischer Fortschritt ist nur möglich durch Innovation. In vielen Fällen stammen Produktinnovationen von Biotech-Firmen mit geringer Marktkapitalisierung, die infolge von Entwicklungsfortschritten ihre Produkte an größere Unternehmen auslizensieren oder zur Gänze übernommen werden. Im aktuellen Innovationszyklus konnten sich Anleger über Kurssteigerungen von vielen Hundert Prozent freuen, die bereits vor drei Jahren bei Pharmacyclics, Medivation, Incyte, Seattle Genetics, Intermune, Isis oder NPS Pharma eingestiegen waren und vom Erfolg der in Entwicklung befindlichen Innovationen z.B. gegen Brustkrebs, Prostatakrebs oder seltene Erbkrankheiten überzeugt waren. Erfolgreiche Markteinführungen katapultierten diese ehemals kleinen Unternehmen ins Mid-Cap-Segment. Eines der jüngsten Beispiele ist Puma Biosciences mit einem Kurssprung von fast 300% auf 7 Mrd. USD Marktkapitalisierung. Der Grund: eine erfolgreiche Zulassungsstudie mit Neratinib bei HER2-positivem Brustkrebs. 2012 war die Firma noch ein Small Cap mit einem Marktwert unter 500 Mio. USD.

e-fundresearch.com: Welche Innovation ist für Sie aktuell am spannendsten?

Mario Linimeier: Einer der gegenwärtig größten Hoffnungsträger in der Arzneimittelforschung ist die Krebsimmuntherapie. Bei diesem Behandlungsansatz wird das menschliche Immunsystem genutzt um Tumorzellen zu bekämpfen. Ein wesentlicher Vorteil im Vergleich zu nicht-immunologischen Ansätzen besteht in einer potenziell langanhaltenden Immunantwort und der damit verbundenen nachhaltigen Wirksamkeit. Im Investorenfokus stehen derzeit anti-PD-1/PDL-1 Checkpoint-Inhibitoren. Im Wesentlichen werden durch monoklonale Antikörper gegen PD-1/PDL-1 Tumorzellen für das Immunsystem sichtbar gemacht, sodass die Immunabwehr Krebszellen abtöten kann. Um die Wirksamkeit von anti-PD-1/PDL-1 Checkpoint-Inhibitoren weiter zu erhöhen, wird die Kombination mit anderen Immunonkologika in zahlreichen klinischen Studien erprobt. Darüber hinaus könnte der adoptive T-Zell-Transfer die Krebstherapie revolutionieren. Ein Beispiel hierfür ist die CAR-T Technologie bei der genetisch modifizierte, tumorspezifische T-Zellen Krebspatienten injiziert werden. In frühen klinischen Studien wurden mit CAR-T sehr hohe Ansprechraten bei B-Zell-Malignomen erzielt.

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