Aktuelle Frage im Economics Forum:
„Können ein abwertender Euro und ein fallender Ölpreis die Eurozone 2015 wieder auf Wachstumskurs bringen?“
Current question in the Economics Forum:
“Can a depreciating Euro and a falling oil price lead the Eurozone back on the growth path in 2015?”
Dr. Daniel Hartmann, Senior Analyst Economics, BANTLEON (18.12.2014):
"Für das 1. Halbjahr 2015 war eine konjunkturelle Belebung in der Eurozone ohnehin angelegt. Wachsenden Rückenwind erzeugen derzeit unter anderem die verbesserten Finanzierungskonditionen (dank EZB), die Stabilisierung des Bankensystems, die weniger restriktive Fiskalpolitik und der anhaltende Aufschwung in den USA. Hinzu kommt, dass sich die einstigen Problemländer (Irland, Spanien, Portugal, Griechenland) sowie die Niederlande nachhaltig aus der Abwärtsspirale der Vorjahre befreit haben. Dazu trug nicht zuletzt die Stabilisierung des Immobilienmarktes bei, der inzwischen kein Belastungsfaktor mehr ist. Welchen Nachholbedarf diese Länder überdies besitzen, verdeutlichen die Pkw-Neuzulassungen, die immer noch 30 bis 70% unter dem Niveau des Jahres 2007 liegen. Alles in allem sind der abwertende Euro und der fallende Ölpreis ein »Goodie« für den sich bereits anbahnenden Aufschwung."
Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege, Flossbach von Storch (18.12.2014):
"Der schwache Euro wirkt wie ein Konjunkturprogramm; in der Eurozone hergestellte Güter werden auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger. Hinzu kommt der niedrige Ölpreis, vergleichbar mit einer Steuersenkung für die Menschen in den Eurostaaten. Die gefallenen Energiekosten wiederum dämpfen die Inflationsrate innerhalb der Eurozone; ein gewichtiges Argument für die EZB, ihre Geldpolitik locker zu halten - der Zins dürfte noch lange niedrig bleiben. Ob dieser Mix ausreicht, um das Wachstum nachhaltig anzuschieben, ist allerdings fraglich.
Der Ölpreisverfall hat unangenehme Nebenwirkungen: So könnte die Solvenz einzelner Ölkonzerne, ja sogar ganzer Förderländer infrage gestellt werden. Eine Staatspleite Russlands etwa hätte massive Auswirkungen auf die Eurozone, insbesondere auf deren Finanzindustrie. Anders ausgedrückt: Um das Wachstum langfristig anzuschieben, bedarf es Strukturreformen in den Eurostaaten. Eine schwache Währung und niedrige Energiepreise reichen dauerhaft nicht aus."
Igor de Maack, Portfoliomanager, DNCA Finance (16.12.2014):
"Der fallende Ölpreis sorgt für eine weltweite Umverteilung des erzeugten Wohlstands.
Laut IMF-Simulation könnte eine 20-prozentige Hausse des Ölpreises das Wirtschaftswachstum von 0,5 bis 1,3 Prozent schmälern. Eine 20-prozentige Baisse dürfte das Wachstum in etwa gleichem Maße stärken. Obgleich die Korrelation zwischen Barrel- und Benzinpreis in Europa geringer ausfällt als in den USA, ist mit einem positiven Effekt für das Einkommen europäischer Haushalte zu rechnen – ein weiteres Argument dafür, dass die Wirtschaft der Eurozone 2015 wieder stärker wächst. In vielen europäischen Ländern stellt Energie einen bedeutenden Posten beim Handelsdefizit dar. Der dramatische Preisverfall pro Barrel von mehr als 40 Prozent dürfte somit die Staaten entlasten, die mit Haushaltsdefiziten kämpfen. Eins könnte allerdings die Wachstumsgewinne aus dem sinkenden Ölpreis schmälern: der Aufschub oder Stopp von zu teuren oder wenig rentablen Projekten im Ölsektor. Der sinkende Barrel-Preis dürfte die Inflation in Europa nahe Null Prozent bringen. Diese „gute“ Deflation dürfte die EZB dazu verleiten, die Märkte weiter mit Geld zu versorgen, um die wieder erstarkende, aber nach wie vor von Ungleichgewichten geprägte europäische Wirtschaft zu stützen."
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