Aktuelle Frage im Economics Forum:
„Wie beurteilen Sie die jüngsten Entwicklungen der japanischen Wirtschaft und welche Aspekte sollten Investoren im aktuellen Umfeld besonders genau berücksichtigen?“
Current question in the Economics Forum:
“How do you assess the latest developments in the Japanese economy and which factors should investors monitor closely in the current market environment?”
Christian Zima, Fondsmanager im Team Global Fixed Income, Raiffeisen Capital Management (20.08.2014):
„Nach der Mehrwertsteueranhebung zum 1.4.2014 von 5 % auf 8 % und dem nachfolgenden Nachfrage- und Konjunktureinbruch hatte man sich für das laufende Quartal bereits wieder eine deutliche Verbesserung der Wachstumsdynamik erwartet. Die bislang für Q3 veröffentlichten Indikatoren enttäuschten diesbezüglich jedoch. Zum einen springt der Außenhandel trotz der deutlichen Währungsabwertung nicht wirklich an. Zum anderen sind die erfolgten Lohnsteigerungen zu gering ausgefallen, um die durch die Mehrwertsteueranhebung erhöhte Inflation auszugleichen und damit Reallohnverluste zu begrenzen. Relativ positiv ist die Stimmung hingegen bei den Unternehmen. Man hofft auf Steuersenkungen für Unternehmen, den Abschluss des Handelsvertrags mit den USA und weitere geldpolitische Maßnahmen zur Schwächung der Währung. Am meisten Unterstützung erhält die Wirtschaft aktuell jedoch von weiteren öffentlichen Ausgabenprogrammen. Im Herbst soll die Entscheidung über die weitere Anhebung der Mehrwertsteuer von 8 % auf 10 % zum 1. Oktober 2015 fallen. Dies dürfte nur in einem wieder freundlicheren konjunkturellen Umfeld wahrscheinlich sein, wovon jedoch auszugehen ist. Mittelfristig wird entscheidend sein, ob - gestützt auf einen relativ starken Arbeitsmarkt - stärkere Lohnsteigerungen durchgesetzt werden können. Ohne deutlichere Nominallohnsteigerungen ist ein nachhaltiges Überwinden der Deflation kaum denkbar.
Geldpolitisch wird die Bank von Japan sehr expansiv bleiben und auch immer ein Auge auf die Währung haben. Wirtschaftspolitisch steht die Reformpolitik von Ministerpräsident Abe umso stärker unter Druck je mehr es um das Aufbrechen geschützter Bereiche bzw. traditioneller Sektoren geht. Das Tempo hinsichtlich Deregulierungen wird also eher nicht zunehmen.“
„Erwartungsgemäß ist das aktuelle japanische BIP-Wachstum für das 2. Quartal 2014 regelrecht eingebrochen und damit tief ins Negative gerutscht. Mit einem Minus von 6,8% (annualisiert) für das vergangen Quartal hat die japanische Wirtschaft auf Jahressicht stagniert – von der Euphorie und Aufbruchsstimmung der sog. „Abenomics“ ist derzeit nicht mehr viel zu verspüren.
Waren anfangs das einfache Grundrezept der Regierung Abe zur „finalen“ Sanierung von Japan von der Wirtschaft und Börse gefeiert worden, so zeigt sich nun immer mehr, dass eine massive Liquiditätsausweitung und positive Kommunikation zur Stärkung der japanischen Konsumentenstimmung alleine nicht die strukturellen Schwächen der japanischen Wirtschaft aushebeln werden.
Die wirtschaftliche Realität ist eine andere: ohne tiefgreifende strukturelle Reformen der Wirtschaft –Stichwort Flexibilisierung und Öffnung der Volkswirtschaft für mehr Wettbewerb- wird sowohl der immense Schuldenberg als auch die immer schwächere demographische Verfassung des Landes das Wachstumspotential der japanischen Wirtschaft immer weiter senken. Dass bei diesem Szenario das Deflationsszenario wieder in der Vordergrund rückt, darf nicht überraschen. Auch wenn sich die Inflation komfortabel über der 3% Marke befindet, so zeigen die letzten Zahlen bereits einen Rückgang.
Für Investoren heißt dies, auf gesündere Regionen auszuweichen. Alleine vor der Haustüre Japans zeigen sich attraktive Volkswirtschaften, die in der Zukunft ihr Wachstumspotential ausschöpfen werden. Asiatische Schwellenländer könnten auch der Schlüssel für die Lösung der prekären Lage Japans sein: durch einen noch engeren Austausch und gegenseitige Öffnung der Volkswirtschaften kann die Wirtschaftskraft Japans mit der Dynamik der asiatischen Tigerstaaten kombiniert werden – zum Vorteil aller.“
Gerhard Winzer, Chief Economist, ERSTE-SPARINVEST (20.08.2014):
"Die wirtschaftliche Aktivität in Japan war im 1. Halbjahr 2014 stark von den Effekten einer Mehrwertsteuererhöhung im April von 5% auf 8% geprägt. Aufgrund von Vorzieheffekten ist das reale Bruttoinlandsprodukt vom 4. Quartal 2013 auf das 1. Quartal 2014 mit 6% (auf das Jahr hochgerechnet) sehr kräftig gewachsen. Im 2. Quartal ist die Wirtschaft um knapp 7% eingebrochen. Von Interesse ist, wie stark die darauffolgende Erholung ausfallen wird. Die Konjunkturindikatoren schlagen für das 3. Quartal ein reales Wirtschaftswachstum von 2% (annualisiert) vor.
Auf lange Sicht ist von Interesse, ob das nominelle Bruttoinlandsprodukt endlich wachsen wird. Die Wirtschaft stagniert seit der Mehrwertsteuererhöhung im April 1997 von 3% auf 5%. Hier setzen die Strategien von Premierminister Abe und Zentralbankgouverneur Kuroda an. Die Zentralbank hat das Ziel, möglichst bald eine Inflation von 2% zu erreichen und die Regierung will mit Strukturreformen das potenzielle Wirtschaftswachstum anheben. Für das Inflationsziel ist das in Gang setzen einer Lohn-Preis-Spirale wesentlich. Zu den Strukturreformen gehören unter anderem Deregulierungen (zum Beispiel in der Landwirtschaft und im Medizinsektor) und die Anhebung der Partizipationsrate (am Arbeitsmarkt). Nach wie vor ist es fraglich, ob langfristig die japanische Wirtschaft wachsen wird. Immerhin zeigt die Politik ein starkes Commitment dafür."
"Has the Japanese economy been able to withstand the 3% VAT hike? The jury is still out as the depressed spending effect will certainly spillover into Q3. In the meantime, real wages growth is struggling to compensate as reflation policies (and VAT) have succeeded in pushing annualized inflation to 3.6%. As an equity investor, we need confirmation that domestic demand recovers, sales and earnings increase, reigniting the capex investment cycle. If the Bank of Japan does not speed up its Quantitative Easing trajectory, Abe’s much heralded third arrow of structural reforms will be even more important. We are particularly impatient to see more efficient businesses, increased equity investments by public pension funds and more liberal labour markets going forward."
Auf monatlicher Basis stellt e-fundresearch.com eine aktuelle Frage mit Bezug zu volkswirtschaftlichen Zusammenhängen und Entwicklungen auf den Kapitalmärkten an eine Gruppe renommierter Ökonomen und Kapitalmarktstrategen. Die Antworten werden im ECONOMICS Channel dargestellt (seit Mai 2011).
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