EZB läutet neue Phase der Geldpolitik ein
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag wie erwartet den Einlagensatz um 25 Basispunkte auf 2,25 % gesenkt. Es war die siebte Zinssenkung innerhalb eines Jahres – doch diese Entscheidung hat eine besondere Signalwirkung. Erstmals wurde im offiziellen Statement der Hinweis gestrichen, dass die Geldpolitik weiterhin als „restriktiv“ einzustufen sei. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte in ihrer Pressekonferenz, „dass sich der Disinflationstrend zuletzt fortgesetzt hat“ und die Wahrscheinlichkeit gestiegen sei, dass die Inflation nachhaltig auf das Ziel von 2 % zurückgeht. Gleichzeitig wies sie auf wachsende wirtschaftliche Risiken infolge der US-Zollpolitik und der Euro-Aufwertung hin: „Die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft haben sich erhöht.“
Aus Sicht von Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz, hat die EZB damit die Grundlage gelegt, „die Geldpolitik in den kommenden Monaten nicht nur neutral, sondern wieder expansiv auszurichten“. Auch Tomasz Wieladek, Chief European Economist bei T. Rowe Price, wertet die jüngsten Schritte als klares Signal: „Die EZB wird die Leitzinsen wahrscheinlich deutlich unter den neutralen Zinssatz senken.“ In der Folge dürfte sich der Abstand zur US-Notenbank weiter vergrößern – ein Punkt, der für geopolitische Spannungen sorgt.
Trump wütet – Zielscheibe Powell
US-Präsident Donald Trump reagierte prompt – und mit scharfer Rhetorik. Auf seiner Plattform „Truth Social“ wetterte er gegen den Vorsitzenden der US-Notenbank: „Jerome Powell von der Fed, der immer ZU SPÄT UND FALSCH liegt, hat gestern erneut ein völliges Chaos von sich gegeben. Seine Entlassung kann nicht schnell genug kommen!“ Während die EZB die wirtschaftlichen Auswirkungen des globalen Zollkonflikts aktiv bekämpft, hält die US-Notenbank (Fed) ihren Leitzins bislang stabil. Powell hatte zuletzt betont, dass die Unsicherheiten durch Trumps eigene Wirtschaftspolitik – insbesondere seine Importzölle – „uns wahrscheinlich weiter von unseren geldpolitischen Zielen entfernen“.
Screenshot: Truth Social @realDonaldTrump
Doch Trumps Kritik geht über wirtschaftliche Analyse hinaus. In einem Interview im Oval Office erklärte er: „Wenn ich ihn rauswerfen will, ist er sofort weg – glauben Sie mir.“ Zwar ist die rechtliche Grundlage für eine solche Entlassung umstritten, doch allein die Androhung sorgt für Unruhe.
Warnungen vor politischer Einflussnahme
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren warnte in einem Interview mit CNBC eindringlich: „Wenn der Präsident den Fed-Vorsitzenden feuern kann, wird das die Märkte zum Einsturz bringen.“ Sie erinnerte daran, dass die Unabhängigkeit der Notenbank ein zentrales Element wirtschaftlicher Stabilität sei. Auch EZB-Chefin Lagarde nahm Powell in Schutz: „Ich habe großen Respekt vor meinem Kollegen Jay Powell.“ Zentralbanken müssten unabhängig von politischen Einflüssen arbeiten, sagte sie – das gelte nicht nur für die USA, sondern für jede demokratische Volkswirtschaft.
Ähnlich warnende Worte hatte Shareholder Value Management CEO & CIO Frank Fischer bereits kurz nach Trumps Angelobung auf e-fundresearch.com niedergeschrieben: "Mr. President, Finger weg von der Fed! "
Selbst aus Trumps Umfeld mehren sich die warnenden Stimmen. US-Finanzminister Scott Bessent soll laut einem Medienbericht von Politico mehrfach darauf hingewiesen haben, dass ein Angriff auf Powell das Vertrauen der Märkte erschüttern würde. Ein Insider sprach von „einer Granate mit gezogenem Splint – es gibt keine Garantien“.
Inmitten steigender geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheiten könnten geldpolitische Entscheidungen in den kommenden Monaten stärker politisiert werden als je zuvor. Für Anleger heißt das: Auf Sicht fahren – und auf beide Seiten des Atlantiks genau hinschauen.
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