e-fundresearch.com: Herr Mackey, MFS gilt als Pionier der US-Investmentfondsindustrie und seit jeher als starkes Aktienhaus. Kritiker würden sagen, dass Fixed Income bei Ihnen nur eine Nebenrolle spielt. Wie entgegnen Sie diesem Eindruck und welchen Stellenwert hat der Bereich heute tatsächlich?
Mackey: Fixed Income ist längst keine Nebenrolle mehr. Von unseren rund 600 Milliarden US-Dollar an verwaltetem Vermögen entfallen etwa 110 Milliarden auf Anleihen. In den vergangenen 15 Jahren haben wir unser Fixed-Income-Team systematisch ausgebaut. Am Anfang stand ein gezieltes Recruiting, heute verfügen wir über spezialisierte Sektorteams, die global wie regional arbeiten. So decken wir ein breites Spektrum ab, von globalen Multi-Sektor-Strategien bis hin zu regionalen Mandaten. Unser Anspruch als Fixed Income Manager ist es, Risiken dort zu managen, wo wir tiefes Fachwissen aufgebaut haben. Fixed Income ist für MFS zu einer zentralen strategischen Säule geworden und nicht bloß ein Add-on zu unserem Aktiengeschäft.
e-fundresearch.com: Sie haben betont, dass Ihr Fixed Income Team von den Kontakten und Research-Ergebnissen der Equity-Kollegen profitiert. Können Sie an einem Beispiel erläutern, wie diese Zusammenarbeit konkret funktioniert und welchen Mehrwert sie für Investoren schafft?
Mackey: Ein gutes Beispiel war der kürzliche Besuch des CEO eines großen US-Technologieunternehmens in unserem Büro in Boston. Für Bondinvestoren ist ein solcher Zugang unüblich, denn CEOs haben normalerweise wenig Grund, Gläubiger direkt zu treffen, da sie sich jederzeit über die Märkte finanzieren können. Über unsere Equity-Kollegen hatten wir die Möglichkeit, direkt zu erfahren, wie das Management auf den KI-Boom reagiert und welche Prioritäten es bei der Kapitalallokation setzt. Die Botschaft war klar: die zusätzlichen Cashflows sollen nicht vorschnell in Übernahmen gesteckt werden, sondern zunächst die Bilanz stärken. Für uns als Anleiheinvestoren verbessert das die Kreditqualität und reduziert das Risiko negativer Überraschungen. Diese Art von Insight bekommen wir nur, weil unsere Equity- und Fixed-Income-Teams eng zusammenarbeiten. Analysten, Associates und Portfoliomanager aus beiden Bereichen nehmen regelmäßig gemeinsam an solchen Meetings teil. Das sorgt dafür, dass Informationen sofort in die Anlageentscheidungen einfließen können.
e-fundresearch.com: Wo sehen Sie derzeit die attraktivsten Chancen innerhalb des Fixed-Income-Universums und wo sind Sie eher vorsichtig?
Mackey: Die nominalen Renditen sind wieder interessant, die Risikoprämien jedoch sehr eng. Das macht Selektivität entscheidend. Wir sehen die besten Chancen im Investment Grade, insbesondere bei hochwertigen BB- und Single-B-Emittenten mit stabilen Cashflows. Im High-Yield-Bereich sind wir dagegen sehr vorsichtig. Dort gibt es zahlreiche Geschäftsmodelle, die wir als „broken businesses“ bezeichnen, weil sie fundamental keine rationale Daseinsberechtigung haben. Viele dieser Emittenten können sich nur refinanzieren, weil Investoren trotz geringer Risikoaufschläge Kapital bereitstellen. Eine Marktbereinigung ist daher unvermeidlich, und sie wäre langfristig gesund für die Marktqualität, weil Kapital wieder in tragfähige Geschäftsmodelle fließen würde.
Sektorenseitig meiden wir aktuell Automobilanleihen, da wir die Entlohnung für das Risiko nicht für ausreichend halten. Positiv sehen wir den Energiesektor. Viele Produzenten haben nach den Einbrüchen 2015/16 ihre Kapitalallokation stark verändert und legen heute mehr Wert auf Bilanzstärke und nachhaltige Cashflows. Das ist für Kreditgeber attraktiv, auch wenn das Segment volatil bleibt.
e-fundresearch.com: Sie haben mehrfach betont, dass aktives Fixed-Income-Management gerade im aktuellen Umfeld Vorteile bietet. Warum halten Sie aktives Management gegenüber passiven Ansätzen in diesem Marktsegment für besonders wichtig?
Mackey: Passive Strategien zwingen Investoren, den gesamten Index abzubilden, ob sie wollen oder nicht. Im Fixed-Income-Bereich bedeutet das ein volles Exposure zur gesamten Treasury-Kurve oder zu breit gestreuten Unternehmensindizes. Damit lassen sich weder regionale Unterschiede noch sektorale Risiken gezielt steuern. Wir setzen dagegen auf aktives Management mit klaren Überzeugungen. In den USA halten wir die Duration neutral, positionieren uns aber für eine Versteilung der Zinskurve, weil wir davon ausgehen, dass das lange Ende unter Druck bleibt. Gleichzeitig gewichten wir Kanada und die Eurozone stärker, wo die geldpolitische Richtung eindeutiger in Richtung Lockerung zeigt. Hinzu kommen gezielte Sektorpositionierungen, die wir auf Basis unseres globalen Research entwickeln. Diese Flexibilität ist entscheidend, um in einem Umfeld enger Spreads und erhöhter Unsicherheit echten Mehrwert zu schaffen.
e-fundresearch.com: Private Credit ist in der Ära der Nullzinsen stark gewachsen und zu einem ernsthaften Konkurrenten der klassischen Credit Märkte avanciert. Viele Wettbewerber weiten ihr Engagement massiv aus. Wie positioniert sich MFS?
Mackey: Private Credit ist ein eigenständiger Markt mit anderen Anforderungen, Strukturen und Ressourcen als die öffentlichen Anleihemärkte. Diese Expertise besitzen wir derzeit nicht. Deshalb sind wir dort aktuell nicht aktiv. Aber die Antwort lautet nicht „nie“. Wir diskutieren das Thema intern und beobachten die Entwicklung sehr genau. Die Branche hat in den vergangenen Jahren stark vom Niedrigzinsumfeld profitiert, da Anleger dort Renditen suchten, die öffentliche Märkte nicht liefern konnten. Heute ist die Lage eine andere. Klassische Fixed-Income-Märkte bieten wieder attraktive Erträge, weshalb wir keinen Druck verspüren, sofort in Private Credit einzusteigen. Sollte sich unser strategischer Fokus ändern, ist es ein Feld, das wir uns wieder anschauen werden.
e-fundresearch.com: Zum Abschluss die Frage nach dem „Big Picture“: Nach einer langen Phase von Null- bzw. Negativzinsen haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Wie lautet Ihr Basisszenario für Zinsen und Inflation in den kommenden Jahren?
Mackey: Die Ära der finanziellen Repression, die durch die globale Finanzkrise und Jahre von Quantitative Easing und Nullzinsen geprägt war, liegt hinter uns. Null- oder Negativzinsen sind kein logisches Umfeld, in dem Märkte langfristig funktionieren können. Wir gehen davon aus, dass sich ein terminales Zinsniveau zwischen 2,5 und 3,5 Prozent etablieren wird. Dieser Bereich ist durch strukturelles Wachstum und moderate Inflation gerechtfertigt. Das bedeutet für Investoren, dass Fixed Income wieder nachhaltige Renditen liefert, ohne dass man sich in extreme Risikosegmente bewegen muss. Selbst Staatsanleihen bieten im historischen Vergleich wieder attraktive Renditen. Wir befinden uns in einer neuen Normalität, die mehr Volatilität zulässt, aber für Anleiheinvestoren konstruktiver ist als die vergangenen anderthalb Jahrzehnte.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Mackey!
Das Interview führten Monika Rosen-Philipp und Simon Weiler am 02.07.2025 im MFS Hauptquartier in Boston.
Über Alexander M. Mackey:
Alexander M. Mackey, CFA, ist seit 2023 Co-Chief Investment Officer Fixed Income bei MFS Investment Management und zugleich Portfolio Manager für mehrere Fixed-Income-Strategien, darunter Multi-Sektor- und US-Kreditportfolios. Er begann seine Karriere 1998 bei MFS, war zunächst im Controlling tätig und wechselte 2001 in das Fixed-Income-Research. Vor seiner Ernennung zum Co-CIO war Mackey 13 Jahre als Credit Research Analyst und mehrere Jahre als Research Associate aktiv. Er hat einen Bachelor-Abschluss von Trinity College und ist Mitglied der CFA Society Boston .
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