Aktuelle Frage im Economics Forum:
„Wie ist die mittelfristige Attraktivität von Emerging Markets im direkten Vergleich zu entwickelten Märkten aus makroökonomischer Sicht einzuschätzen und welche Länder sollten Investoren vor dem Hintergrund einer möglichen Leitzinswende in den USA besonders berücksichtigen oder meiden?“
Current Question in the Economics Forum:
“What is your assessment of the mid-term attractiveness of emerging markets in direct comparison to developed markets and - in light of a potential interest-rate hike in the US - which emerging countries should investors generally focus on or avoid?”
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Gerhard Winzer, Chief Economist, ERSTE-SPARINVEST (28.04.2015):
"Vergleich man die Industriestaaten mit den Schwellenländern anhand der beiden Indikatoren Wirtschaftswachstum und Verschuldung ergeben sich folgenden bemerkenswerten Erkenntnisse. Seit der Großen Rezession sind die Wachstumsraten der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital sowie jene der Produktivität in vielen Ländern deutlich gesunken. Kombiniert man die drei Faktoren, spricht man vom Potenzialwachstum. Für die Schwellenländer wird vom Internationalen Währungsfonds ein Rückgang des jährlichen Potenzialwachstums von 6.7% in den Jahren 2001 bis 2007 auf 5,2% in den Jahren 2015 bis 2020 geschätzt. Im Vergleich dazu wird für die Industriestaaten ein Rückgang von 2,2% auf 1,6% berechnet. Mittelfristig betrachtet wird der Konvergenzprozess in den Schwellenländern also eine Fortsetzung finden.
Hinsichtlich der Verschuldung war die Entwicklung laut der Bank für den Internationalen Zahlungsausgleich und JP Morgan gegenläufig. Die Verschuldung im privaten Sektor, also Haushalte und Unternehmen, ist in den Schwellenländern seit der Großen Rezession sprunghaft von 75% vom nominellen Bruttoinlandsprodukt auf 125% angestiegen. Im Unterschied dazu ist sie in den Industriestaaten von 180% auf 160% gefallen. Während der Schuldenaufbau das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern unterstützt hat, war der Schuldenabbau in den Industriestaaten ein wesentlicher Grund für das mittelmäßige Wachstum. Die gemeinsame Klammer ist, dass die Nullzinspolitik und die umfassenden Anleiheankaufsprogramme in den USA, im UK, in Japan und der Eurozone zu kräftigen Kapitelzuflüssen und niedrigen Zinsen in den Schwellenländern beigetragen haben. Die Befürchtung ist, dass sich im Fall von zu kräftigen Zinsanhebungen in den Industriestaaten dieser Prozess umkehren könnte. Die Banken in den Schwellenländern sind ja bereits laut dem Institute of International Finance restriktiv in der Kreditvergabe.
Auf dem Radarschirm stehen die Finanzzentren Hongkong und Singapur und vor allem China. Der Kreditboom in den drei Ländern beschreibt das alt bekannte Problem einer möglichen Kreditblase in China. Aber auch Korea, Thailand, Malaysia sowie außerhalb von Asien die Türkei und Brasilien stehen im Fokus."