Nachgefragt | Nachhaltigkeitspräferenzen: Game-Changer oder unnötige Bürokratie?

Funds | 02.08.2022 13:00 Uhr
© e-fundresearch.com / Canva / von den Unternehmen zur Verfügung gestellt
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e-fundresearch.com #Nachgefragt: 02. August 2022 als Game-Changer für ESG-Investments?

Am heutigen 02. August tritt im Rahmen der MiFID-II Richtlinie die verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in Kraft: Handelt es sich dabei um den "großen Wurf" oder trifft doch eher das Fazit "gut gemeint, aber schlecht durchgeführt" zu? Wie wird sich die verpflichtende Abfrage auf Fondsbestände und Fonds-Neuveranlagungen auswirken? Wo lauern bei der praktischen Implementierung die größten Fallstricke? Wo muss der Regulator dringend nachbessern?

Im Rahmen der neuesten Ausgabe von e-fundresearch.com #Nachgefragt haben wir uns für Sie in der Asset Management Industrie umgehört und dabei folgende Statements erhalten:

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Mag. Christian Haberfellner, Leiter Sales Retail, KEPLER-FONDS Kapitalanlagegesellschaft
© KEPLER-FONDS KAG

Mag. Christian Haberfellner, Leiter Sales Retail, KEPLER-FONDS Kapitalanlagegesellschaft

Nachhaltigkeit ist derzeit das zentrale Thema in der Fondswelt. Wir sind mitten in der nachhaltigen Transformation. ESG-Investments leisten einen Beitrag zum Erreichen der EU-Klimaziele und zur notwendigen Energiewende. Die regulatorischen Vorgaben der EU sind dabei ein mächtiger Impulsgeber für Produkt- und Prozessentwicklungen in unserer Branche. Die Umsetzung stellt jedoch viele Produktanbieter vor große Herausforderungen an Ressourcen und Datensysteme. Schwierig ist eine klare Orientierung in der ESG-Informationsflut sowie zeitgerechte und verlässliche ESG-Daten in den IT-Systemen. Die Vertriebseinheiten sind jetzt in der raschen Umsetzung, denn das Thema Nachhaltigkeit bewegt die Investoren. Somit erwarten wir auch weiterhin viel Dynamik im ESG-Fondsabsatz. Mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung sind wir bei KEPLER gut für die strengen Produktanforderungen im Rahmen nachhaltiger Beratung gerüstet. Für die Zukunft zielführend ist eine bessere Koordination der Gesetzesmaterien (zB SFDR, MiFID II, synchrone Fristen), einheitliche Mindeststandards (zB bei Artikel 8 Fonds) sowie scharfes Vorgehen gegen Greenwashing.
Jan Sobotta, Leiter Wholesale Deutschland, Österreich & Liechtenstein, Swisscanto Asset Management International S.A.
© Swisscanto

Jan Sobotta, Leiter Wholesale Deutschland, Österreich & Liechtenstein, Swisscanto Asset Management International S.A.

Als Asset Manager sind wir nicht glücklich mit den meist unpräzisen Ausführungen, die eher verwirrend als hilfreich sind. Generell begrüßen wir die verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen zu 100 Prozent, da unser Fondsangebot explizit auf den Faktor Nachhaltigkeit ausgerichtet ist und der Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft dadurch unterstützt wird. Ein Fallstrick ist sicherlich, dass sich insbesondere private Investoren nicht so tief mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen können. Das stellt den Mehrwert natürlich in Frage. Im September soll eine Klarstellung vom Regulator erfolgen. Es bleibt zu hoffen, dann mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Auch bei der EU-Taxonomie ist es unbefriedigend, dass erst zwei Ziele von sechs angewendet werden, die sich zudem ausschließlich mit dem Klimaschutz befassen. Aus der verpflichtenden Abfrage erwarten wir uns Unterstützung der bereits extrem hohen Nachfrage. Wir hatten 2021 die bis dato höchsten Zuflüsse in nachhaltige Produkte. Und auch im ersten Halbjahr ist eine enorme Nachfrage zu sehen. So liegt unser Haus gemäß der Statistik von Refinitiv bei den Best-Selling Fund Promoters in Europe auf Platz 3.
Cecilia Siegbahn, Senior ESG Regulatory Expert, Nordea Asset Management
© Nordea Asset Management

Cecilia Siegbahn, Senior ESG Regulatory Expert, Nordea Asset Management

Durch mehr Transparenz und eine Reihe gemeinsamer Standards zielt die EU-Offenlegungsverordnung darauf ab, Produktvergleiche einfacher zu machen und Anlegerinnen und Anleger vor Greenwashing zu schützen. Das wird zu einer höheren Akzeptanz führen, da es den Anlegern mehr Vertrauen in ESG-Strategien gibt. Das mag Vermögensverwaltern, die keinen etablierten ESG-Ansatz haben, Anlass zur Sorge geben. Bei Nordea investieren wir aber bereits seit vielen Jahren nachhaltig, somit stellt die neue Gesetzgebung für uns ganz klar eine Chance dar. Wir begrüßen alle Maßnahmen, die ESG-Lösungen dem breiten Publikum zugänglicher machen und unterstützen deshalb auch die theoretische Ausgestaltung von MiFID II. Die praktische Umsetzung wird sich allerdings von Markt zu Markt unterscheiden. Daher ist es zum aktuellen Zeitpunkt schwer zu sagen, wo die größten Fallstricke liegen und ob Anpassungen an der Richtlinie nötig sein werden. Wir sind aber optimistisch, dass die obligatorische Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen deutlich machen wird, dass Investoren einen Unterschied machen und gleichzeitig Rendite erzielen können.
Anne-Claire Imperiale, Head of ESG Research and Stewardship, Sycomore AM (Generali Investments)
© Sycomore AM

Anne-Claire Imperiale, Head of ESG Research and Stewardship, Sycomore AM (Generali Investments)

Die zusätzlichen Fragen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden sind ein wichtiger Schritt für verantwortungsbewusstes Investieren. Die Vorschriften nähern sich einander an, so dass Finanz- und Nachhaltigkeitsaspekte auf dieselbe Ebene gestellt werden. Im Beratungsgespräch muss nun auch der Wunsch des Anlegers im Mittelpunkt stehen, mit seinen Ersparnissen einen positiven Beitrag zu ökologischen und sozialen Aspekten zu leisten. Dies wird nicht von heute auf morgen geschehen: Die Vertriebsnetze werden Unterstützung bei der Ausbildung benötigen, um sicherzustellen, dass Berater die Fähigkeiten entwickeln, ihre Kunden über diese Themen aufzuklären, die komplex sind und sich von den bisherigen Themen der Beratung stark unterscheiden. Eine andere Herausforderung ist die Klassifizierung der Fonds nach Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden. Wie können die Wünsche des Kunden klar erkannt werden und vor allem, wie kann der Berater darauf mit einem passenden Angebot reagieren? Es wird ein pädagogischer Ansatz nötiger sein, damit alle Akteure die in den Verordnungen hervorgehobenen Aspekte verinnerlichen: Taxonomie, nachhaltige Anlagen und Indikatoren für negative Auswirkungen.
Daniela Brogt, Head of Sales für Deutschland und Österreich, Janus Henderson Investors
© Janus Henderson Investors

Daniela Brogt, Head of Sales für Deutschland und Österreich, Janus Henderson Investors

Die verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen ist definitiv nichts für schwache Nerven. Natürlich ist der Grundgedanke sinnvoll und richtig, aber was unsere Branche an Bürokratie im Hinblick auf die Berichtspflichten erlebt, hat mit Praxisnähe nichts zu tun. Zunächst sind die Berater betroffen, die Aufklärungsarbeit und Orientierungshilfe bei einem enorm komplexen Thema leisten müssen. Die Abfrage setzt aber künftig stärkere Impulse im Hinblick auf nachhaltiges Investieren, was sich mittel- bis langfristig weniger beim Bestand als vielmehr bei den Neuveranlagungen auswirken sollte. Privatanleger spielen deshalb eine wesentliche Rolle. Allerdings gibt es auch Fallstricke, z. B. Greenwashing. Die Regulierungsstandards zur Offenlegungsverordnung sind noch nicht ausgereift, deshalb ist die Datenlage bei vielen noch dünn. Das Problem ist grundsätzlich, dass es nach wie vor keine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit gibt. Wozu das führt, hat die jüngste Debatte über die Aufnahme von Gas und Kernkraft in die Taxonomieverordnung gezeigt. Hier gilt es länderübergreifend eine Einigung zu erzielen, statt regionale Sonderwege zu beschreiten.
Martin Stenger, Director Sales , Business Development Insurance & Retirement Solutions, Franklin Templeton
© Franklin Templeton

Martin Stenger, Director Sales , Business Development Insurance & Retirement Solutions, Franklin Templeton

Wir begrüßen es, dass es ein klares Zeichen aus der EU gibt, mit ESG-Investings breit anzufangen als weiter zu diskutieren, um überhaupt eine Chance zu haben, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Eine aktuelle repräsentative Umfrage von Rothmund Insights zeigt, dass die Kunden – 87 Prozent – auf die Frage, nachhaltig anzulegen oder nicht, warten. Genauso, wie der Verbraucher beim Kauf eines Elektrogerätes auf die Energieeffizienzklasse schaut, wird dies auch bei Anlagen schnell eine Selbstverständlichkeit werden. Insofern sollten die Kundenberater loslegen und nicht in ein „ESG-Bleaching“ verfallen, zumal ESG-Anlagen deutlich robuster und weniger schwankungsintensiver sind und sich in Krisenzeiten schneller erholen als konventionelle Anlagen. Die ESG-Richtung passt in unsere DNA, da wir schon immer langfristig und renditeorientiert mit den Produkten investieren.
Pascale-Céline Cadix, CESGA®, ESG & Sustainability Specialist, abrdn Investments Deutschland AG
© abrdn

Pascale-Céline Cadix, CESGA®, ESG & Sustainability Specialist, abrdn Investments Deutschland AG

Die verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen führt dazu, dass sich Beratende spätestens ab August 2022 intensiver mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Dies ist grundsätzlich eine positive Entwicklung, aber die relativ unspezifische Leitlinie hinsichtlich der Umsetzung hat dazu geführt, dass die Komplexität für alle Seiten enorm angestiegen ist. Es ist schwer vorstellbar, dass im Beratungsgespräch exakte Angaben hinsichtlich der Mindestinvestments in nachhaltige, auf die Taxonomie ausgerichtete Investitionen festgelegt werden. Hinzu kommt der Wildwuchs innerhalb der Branche: Beratungsgespräche werden sich je nach Finanzinstrument, Anbieter oder Hülle ab August massiv unterscheiden. Und Anbieter sowie Beratende werden „Wege“ suchen, um das Beratungsgespräch weiterhin übersichtlich zu halten. Dass die Datenlage in einzelnen Teilbereichen immer noch zu wünschen übrig lässt und eine Vielzahl von Greenwashing-Tatbeständen zu bemängeln ist, soll nur am Rande erwähnt werden. Schließlich wird auch nach dem 2. August eine Beratung stattfinden, ob diese den Regulator, die Kunden oder Beratenden zufriedenstellen wird, bleibt abzuwarten.
Torsten Barnitzke, Head of Key Accounts & ESG Distribution, Fidelity International
© Fidelity International

Torsten Barnitzke, Head of Key Accounts & ESG Distribution, Fidelity International

Grundsätzlich ist die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen positiv. „Nachhaltigkeit“ bewegt seit Jahren mit wachsender Dynamik die gesellschaftliche und politische Diskussion. Neben den Faktoren Rendite, Risiko und Liquidität wird Nachhaltigkeit zunehmend die vierte Dimension bei einer Geldanlage. Mit dem EU-Plan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums als Gesamtrahmen und den konkreten Gesetzesinitiativen, der Ergänzung zu MiFID II, der Taxonomie-Verordnung und der Offenlegungsverordnung, gibt es Leitlinien für nachhaltige Kriterien. Natürlich lassen diese Raum zur Interpretation - aber die Regulierung wird sich weiterentwickeln. Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Die Berater sollten bereits heute grundsätzlich ausreichend informiert sein, und zu den Nachhaltigkeitspräferenzen gibt es grundsätzlich ein passendes Produktspektrum. Allerdings sollten die Erwartungen des Kunden an Mindestquoten nachhaltiger Investments bei den Strategien nicht zu hoch sein. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Geldanlage wird weiter zunehmen, gerade bei jüngeren Zielgruppen. Das belegt eine Umfrage, die wir mit dem Markforschungsinstitut Opinium durchgeführt haben: 44 Prozent der 18- bis 34-Jährigen sagen, dass sie mit ihrem Geld die Welt positiv
Andreas Schapeit, Generalbevollmächtigter Leiter Geschäftsentwicklung, Warburg Invest AG
© Warburg Invest AG

Andreas Schapeit, Generalbevollmächtigter Leiter Geschäftsentwicklung, Warburg Invest AG

Als Pionier im nachhaltigen Investieren begrüßt die Warburg Invest AG grundsätzlich eine verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen insbesondere beim Erwerb von Publikumsfonds. Eine Harmonisierung dieser Abfrage mit umfangreicheren Berichterstattung der Portfoliounternehmen zur EU-Taxonomie wäre aus unserer Sicht hilfreicher gewesen, da unseres Erachtens aufgrund der fehlenden Daten der Unternehmen zu nachhaltigem Wirtschaftsaktivitäten Fonds bzw. Portfolien absolut gesehen aktuell nur sehr geringe Taxonomiequoten aufweisen. In Folge werden vielfach für die Nachhaltigkeitspräferenz eines Mindestanteils an Taxonomiequoten i.d.R. selbst bei geringen Taxonomiequoten keine adäquaten Produkte zur Verfügung stehen. Zudem würden wir es begrüßen, wenn im Verhältnis zwischen Master KVGen, ihren Kunden einem gegebenenfalls ausgelagerten Asset Manager und damit innerhalb des Geltungsbereich von MiFID II auch vereinfacht eine kundenindividuelle Antwort auf die Frage von Nachhaltigkeitspräferenzen möglich wäre. Viele unserer Kunden haben mit uns bereits nachhaltige Anlagerichtlinien implementiert. Diese muss der Kunde jetzt gedanklich einer der drei schematisierten Präferenzen zuordnen.

Mag. Christian Haberfellner, Leiter Sales Retail, KEPLER-FONDS Kapitalanlagegesellschaft
© KEPLER-FONDS KAG

Mag. Christian Haberfellner, Leiter Sales Retail, KEPLER-FONDS Kapitalanlagegesellschaft

Nachhaltigkeit ist derzeit das zentrale Thema in der Fondswelt. Wir sind mitten in der nachhaltigen Transformation. ESG-Investments leisten einen Beitrag zum Erreichen der EU-Klimaziele und zur notwendigen Energiewende. Die regulatorischen Vorgaben der EU sind dabei ein mächtiger Impulsgeber für Produkt- und Prozessentwicklungen in unserer Branche. Die Umsetzung stellt jedoch viele Produktanbieter vor große Herausforderungen an Ressourcen und Datensysteme. Schwierig ist eine klare Orientierung in der ESG-Informationsflut sowie zeitgerechte und verlässliche ESG-Daten in den IT-Systemen. Die Vertriebseinheiten sind jetzt in der raschen Umsetzung, denn das Thema Nachhaltigkeit bewegt die Investoren. Somit erwarten wir auch weiterhin viel Dynamik im ESG-Fondsabsatz. Mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung sind wir bei KEPLER gut für die strengen Produktanforderungen im Rahmen nachhaltiger Beratung gerüstet. Für die Zukunft zielführend ist eine bessere Koordination der Gesetzesmaterien (zB SFDR, MiFID II, synchrone Fristen), einheitliche Mindeststandards (zB bei Artikel 8 Fonds) sowie scharfes Vorgehen gegen Greenwashing.
Jan Sobotta, Leiter Wholesale Deutschland, Österreich & Liechtenstein, Swisscanto Asset Management International S.A.
© Swisscanto

Jan Sobotta, Leiter Wholesale Deutschland, Österreich & Liechtenstein, Swisscanto Asset Management International S.A.

Als Asset Manager sind wir nicht glücklich mit den meist unpräzisen Ausführungen, die eher verwirrend als hilfreich sind. Generell begrüßen wir die verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen zu 100 Prozent, da unser Fondsangebot explizit auf den Faktor Nachhaltigkeit ausgerichtet ist und der Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft dadurch unterstützt wird. Ein Fallstrick ist sicherlich, dass sich insbesondere private Investoren nicht so tief mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen können. Das stellt den Mehrwert natürlich in Frage. Im September soll eine Klarstellung vom Regulator erfolgen. Es bleibt zu hoffen, dann mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Auch bei der EU-Taxonomie ist es unbefriedigend, dass erst zwei Ziele von sechs angewendet werden, die sich zudem ausschließlich mit dem Klimaschutz befassen. Aus der verpflichtenden Abfrage erwarten wir uns Unterstützung der bereits extrem hohen Nachfrage. Wir hatten 2021 die bis dato höchsten Zuflüsse in nachhaltige Produkte. Und auch im ersten Halbjahr ist eine enorme Nachfrage zu sehen. So liegt unser Haus gemäß der Statistik von Refinitiv bei den Best-Selling Fund Promoters in Europe auf Platz 3.
Cecilia Siegbahn, Senior ESG Regulatory Expert, Nordea Asset Management
© Nordea Asset Management

Cecilia Siegbahn, Senior ESG Regulatory Expert, Nordea Asset Management

Durch mehr Transparenz und eine Reihe gemeinsamer Standards zielt die EU-Offenlegungsverordnung darauf ab, Produktvergleiche einfacher zu machen und Anlegerinnen und Anleger vor Greenwashing zu schützen. Das wird zu einer höheren Akzeptanz führen, da es den Anlegern mehr Vertrauen in ESG-Strategien gibt. Das mag Vermögensverwaltern, die keinen etablierten ESG-Ansatz haben, Anlass zur Sorge geben. Bei Nordea investieren wir aber bereits seit vielen Jahren nachhaltig, somit stellt die neue Gesetzgebung für uns ganz klar eine Chance dar. Wir begrüßen alle Maßnahmen, die ESG-Lösungen dem breiten Publikum zugänglicher machen und unterstützen deshalb auch die theoretische Ausgestaltung von MiFID II. Die praktische Umsetzung wird sich allerdings von Markt zu Markt unterscheiden. Daher ist es zum aktuellen Zeitpunkt schwer zu sagen, wo die größten Fallstricke liegen und ob Anpassungen an der Richtlinie nötig sein werden. Wir sind aber optimistisch, dass die obligatorische Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen deutlich machen wird, dass Investoren einen Unterschied machen und gleichzeitig Rendite erzielen können.
Anne-Claire Imperiale, Head of ESG Research and Stewardship, Sycomore AM (Generali Investments)
© Sycomore AM

Anne-Claire Imperiale, Head of ESG Research and Stewardship, Sycomore AM (Generali Investments)

Die zusätzlichen Fragen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden sind ein wichtiger Schritt für verantwortungsbewusstes Investieren. Die Vorschriften nähern sich einander an, so dass Finanz- und Nachhaltigkeitsaspekte auf dieselbe Ebene gestellt werden. Im Beratungsgespräch muss nun auch der Wunsch des Anlegers im Mittelpunkt stehen, mit seinen Ersparnissen einen positiven Beitrag zu ökologischen und sozialen Aspekten zu leisten. Dies wird nicht von heute auf morgen geschehen: Die Vertriebsnetze werden Unterstützung bei der Ausbildung benötigen, um sicherzustellen, dass Berater die Fähigkeiten entwickeln, ihre Kunden über diese Themen aufzuklären, die komplex sind und sich von den bisherigen Themen der Beratung stark unterscheiden. Eine andere Herausforderung ist die Klassifizierung der Fonds nach Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden. Wie können die Wünsche des Kunden klar erkannt werden und vor allem, wie kann der Berater darauf mit einem passenden Angebot reagieren? Es wird ein pädagogischer Ansatz nötiger sein, damit alle Akteure die in den Verordnungen hervorgehobenen Aspekte verinnerlichen: Taxonomie, nachhaltige Anlagen und Indikatoren für negative Auswirkungen.
Daniela Brogt, Head of Sales für Deutschland und Österreich, Janus Henderson Investors
© Janus Henderson Investors

Daniela Brogt, Head of Sales für Deutschland und Österreich, Janus Henderson Investors

Die verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen ist definitiv nichts für schwache Nerven. Natürlich ist der Grundgedanke sinnvoll und richtig, aber was unsere Branche an Bürokratie im Hinblick auf die Berichtspflichten erlebt, hat mit Praxisnähe nichts zu tun. Zunächst sind die Berater betroffen, die Aufklärungsarbeit und Orientierungshilfe bei einem enorm komplexen Thema leisten müssen. Die Abfrage setzt aber künftig stärkere Impulse im Hinblick auf nachhaltiges Investieren, was sich mittel- bis langfristig weniger beim Bestand als vielmehr bei den Neuveranlagungen auswirken sollte. Privatanleger spielen deshalb eine wesentliche Rolle. Allerdings gibt es auch Fallstricke, z. B. Greenwashing. Die Regulierungsstandards zur Offenlegungsverordnung sind noch nicht ausgereift, deshalb ist die Datenlage bei vielen noch dünn. Das Problem ist grundsätzlich, dass es nach wie vor keine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit gibt. Wozu das führt, hat die jüngste Debatte über die Aufnahme von Gas und Kernkraft in die Taxonomieverordnung gezeigt. Hier gilt es länderübergreifend eine Einigung zu erzielen, statt regionale Sonderwege zu beschreiten.
Martin Stenger, Director Sales , Business Development Insurance & Retirement Solutions, Franklin Templeton
© Franklin Templeton

Martin Stenger, Director Sales , Business Development Insurance & Retirement Solutions, Franklin Templeton

Wir begrüßen es, dass es ein klares Zeichen aus der EU gibt, mit ESG-Investings breit anzufangen als weiter zu diskutieren, um überhaupt eine Chance zu haben, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Eine aktuelle repräsentative Umfrage von Rothmund Insights zeigt, dass die Kunden – 87 Prozent – auf die Frage, nachhaltig anzulegen oder nicht, warten. Genauso, wie der Verbraucher beim Kauf eines Elektrogerätes auf die Energieeffizienzklasse schaut, wird dies auch bei Anlagen schnell eine Selbstverständlichkeit werden. Insofern sollten die Kundenberater loslegen und nicht in ein „ESG-Bleaching“ verfallen, zumal ESG-Anlagen deutlich robuster und weniger schwankungsintensiver sind und sich in Krisenzeiten schneller erholen als konventionelle Anlagen. Die ESG-Richtung passt in unsere DNA, da wir schon immer langfristig und renditeorientiert mit den Produkten investieren.
Pascale-Céline Cadix, CESGA®, ESG & Sustainability Specialist, abrdn Investments Deutschland AG
© abrdn

Pascale-Céline Cadix, CESGA®, ESG & Sustainability Specialist, abrdn Investments Deutschland AG

Die verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen führt dazu, dass sich Beratende spätestens ab August 2022 intensiver mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Dies ist grundsätzlich eine positive Entwicklung, aber die relativ unspezifische Leitlinie hinsichtlich der Umsetzung hat dazu geführt, dass die Komplexität für alle Seiten enorm angestiegen ist. Es ist schwer vorstellbar, dass im Beratungsgespräch exakte Angaben hinsichtlich der Mindestinvestments in nachhaltige, auf die Taxonomie ausgerichtete Investitionen festgelegt werden. Hinzu kommt der Wildwuchs innerhalb der Branche: Beratungsgespräche werden sich je nach Finanzinstrument, Anbieter oder Hülle ab August massiv unterscheiden. Und Anbieter sowie Beratende werden „Wege“ suchen, um das Beratungsgespräch weiterhin übersichtlich zu halten. Dass die Datenlage in einzelnen Teilbereichen immer noch zu wünschen übrig lässt und eine Vielzahl von Greenwashing-Tatbeständen zu bemängeln ist, soll nur am Rande erwähnt werden. Schließlich wird auch nach dem 2. August eine Beratung stattfinden, ob diese den Regulator, die Kunden oder Beratenden zufriedenstellen wird, bleibt abzuwarten.
Torsten Barnitzke, Head of Key Accounts & ESG Distribution, Fidelity International
© Fidelity International

Torsten Barnitzke, Head of Key Accounts & ESG Distribution, Fidelity International

Grundsätzlich ist die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen positiv. „Nachhaltigkeit“ bewegt seit Jahren mit wachsender Dynamik die gesellschaftliche und politische Diskussion. Neben den Faktoren Rendite, Risiko und Liquidität wird Nachhaltigkeit zunehmend die vierte Dimension bei einer Geldanlage. Mit dem EU-Plan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums als Gesamtrahmen und den konkreten Gesetzesinitiativen, der Ergänzung zu MiFID II, der Taxonomie-Verordnung und der Offenlegungsverordnung, gibt es Leitlinien für nachhaltige Kriterien. Natürlich lassen diese Raum zur Interpretation - aber die Regulierung wird sich weiterentwickeln. Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Die Berater sollten bereits heute grundsätzlich ausreichend informiert sein, und zu den Nachhaltigkeitspräferenzen gibt es grundsätzlich ein passendes Produktspektrum. Allerdings sollten die Erwartungen des Kunden an Mindestquoten nachhaltiger Investments bei den Strategien nicht zu hoch sein. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Geldanlage wird weiter zunehmen, gerade bei jüngeren Zielgruppen. Das belegt eine Umfrage, die wir mit dem Markforschungsinstitut Opinium durchgeführt haben: 44 Prozent der 18- bis 34-Jährigen sagen, dass sie mit ihrem Geld die Welt positiv
Andreas Schapeit, Generalbevollmächtigter Leiter Geschäftsentwicklung, Warburg Invest AG
© Warburg Invest AG

Andreas Schapeit, Generalbevollmächtigter Leiter Geschäftsentwicklung, Warburg Invest AG

Als Pionier im nachhaltigen Investieren begrüßt die Warburg Invest AG grundsätzlich eine verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen insbesondere beim Erwerb von Publikumsfonds. Eine Harmonisierung dieser Abfrage mit umfangreicheren Berichterstattung der Portfoliounternehmen zur EU-Taxonomie wäre aus unserer Sicht hilfreicher gewesen, da unseres Erachtens aufgrund der fehlenden Daten der Unternehmen zu nachhaltigem Wirtschaftsaktivitäten Fonds bzw. Portfolien absolut gesehen aktuell nur sehr geringe Taxonomiequoten aufweisen. In Folge werden vielfach für die Nachhaltigkeitspräferenz eines Mindestanteils an Taxonomiequoten i.d.R. selbst bei geringen Taxonomiequoten keine adäquaten Produkte zur Verfügung stehen. Zudem würden wir es begrüßen, wenn im Verhältnis zwischen Master KVGen, ihren Kunden einem gegebenenfalls ausgelagerten Asset Manager und damit innerhalb des Geltungsbereich von MiFID II auch vereinfacht eine kundenindividuelle Antwort auf die Frage von Nachhaltigkeitspräferenzen möglich wäre. Viele unserer Kunden haben mit uns bereits nachhaltige Anlagerichtlinien implementiert. Diese muss der Kunde jetzt gedanklich einer der drei schematisierten Präferenzen zuordnen.

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ÜbrigensVergangene Ausgaben von e-fundresearch.com-#Nachgefragt finden interessierte LeserInnen nachfolgend verlinkt:

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