e-fundresearch.com: Herr Levering, Frau Perry, können Sie uns zunächst die Grundidee hinter dem Wellington Enduring Infrastructure Assets Fund erläutern? Was war der Auslöser für die Auflegung und wie unterscheidet sich Ihr Ansatz von klassischen Infrastrukturstrategien?
Tom Levering: Die Idee entstand ursprünglich aus einem sehr persönlichen Impuls. Ich wollte ein Portfolio aufbauen, in das ich auch mein eigenes Geld investieren konnte und bei dem eine klare Interessensgleichheit mit unseren Kunden besteht. Viele Investoren finden die Titel in diesem Bereich zunächst langweilig, da man keine Verdopplungen über Nacht erwarten darf. Aber genau darin liegt die Stärke: Unternehmen mit stabilen Cashflows, natürlichen Monopolstellungen oder oligopolistischen Marktstrukturen liefern über lange Zeiträume konstante und risikoärmere Renditen. Anders als viele Strategien im Infrastrukturbereich orientieren wir uns nicht an Benchmarks, sondern investieren ausschließlich in die – unserer Meinung nach - besten absoluten Ideen. Das macht uns flexibler, erlaubt eine globalere Ausrichtung und führt langfristig zu einer attraktiven risikoadjustierten Rendite.
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e-fundresearch.com: Sie beschreiben Ihren Ansatz als stärker wachstumsorientiert als viele Wettbewerber. Können Sie ein Beispiel geben, wo Sie bewusst Dividendenrendite zugunsten strukturellen Wachstums zurückstellen?
Joy Perry: Viele Anleger suchen im Infrastrukturbereich vor allem stabile Ausschüttungen. Wir sind überzeugt, dass der langfristig bessere Trade-off entsteht, wenn man auf Unternehmen setzt, die Kapital in wachstumsstarke Bereiche investieren können. Ein klassisches Beispiel ist der Energiesektor: Ein Versorger, der hohe Dividenden zahlt, hat oft weniger Mittel für neue Investitionen. Unternehmen, die ihre Cashflows in den Ausbau von Netzen oder in die Integration erneuerbarer Energien lenken, haben dagegen zwar eine niedrigere Dividendenrendite, aber dafür deutlich höhere Wachstumsraten bei Erträgen und Cashflows. Wir verzichten bewusst auf etwas laufende Rendite und erhalten im Gegenzug ein Vielfaches an strukturellem Wachstum, was sich langfristig auszahlt.
e-fundresearch.com: Im Frühjahr 2025 sorgten Diskussionen über neue US-Zölle für deutliche Marktverwerfungen. Wie hat sich der Wellington Enduring Infrastructure Assets Fund in diesem Live-Stresstest entwickelt?
Levering: Besonders im Frühjahr, als die Diskussionen über neue US-Zölle die Märkte unter Druck setzten, hat der Fonds genau das getan, was er tun sollte. Während viele zyklische Bereiche deutlich nachgaben, hielten sich unsere Positionen stabil. Das liegt daran, dass wir in lokale Betreiber investieren, die wenig Abhängigkeit von globalen Handelsströmen, Rohstoffpreisen oder kurzfristigen Konjunkturschwankungen haben. Hinzu kommt unser Fokus auf Unternehmen mit regulatorisch gesicherten Erträgen. In Summe führte das zu einer deutlich geringeren Volatilität im Vergleich zu klassischen Aktienindizes oder auch zu vielen Infrastruktur-Benchmarks. Man könnte sagen, dass sich in dieser Phase die vermeintliche Langweiligkeit unserer Strategie im besten Sinne ausgezahlt hat.
e-fundresearch.com: Dekarbonisierung, Elektrifizierung und die steigende Nachfrage nach Rechenzentren verändern die Rahmenbedingungen für Infrastrukturunternehmen erheblich. Wie reagieren Sie in Ihrer Portfolioallokation auf diese Entwicklungen?
Perry: Wir analysieren kontinuierlich, wo in der Wertschöpfungskette die attraktivsten Chancen entstehen. Ein gutes Beispiel ist die Elektrifizierung. Vor einigen Jahren lag das Wachstum im Versorgungssektor noch bei zwei bis drei Prozent, heute sprechen wir von rund sieben Prozent. Grund dafür sind Investitionen in erneuerbare Energien, Netzausbau und Energiespeicher. Besonders dynamisch ist aktuell die Nachfrage aus Rechenzentren, die enorme Mengen an Strom benötigen. Anstatt die Betreiber von Rechenzentren direkt zu kaufen, investieren wir lieber in regulierte Netzwerke und Energieversorger, die durch diese Nachfrage ein stabiles und attraktives Wachstum erzielen können. Wir vermeiden dabei Übertreibungen in stark gehypten Segmenten und konzentrieren uns auf jene Infrastruktur-Assets, die langfristig gesicherte Erträge erwirtschaften.
Weitere #Tripnotes:
e-fundresearch.com: Auch wenn ESG-Bedenken zuletzt auf beiden Seiten des Atlantiks etwas weniger Aufmerksamkeit erhalten, ist es offensichtlich, dass Öl- und Kohlewerte mittelfristig an Bedeutung verlieren könnten. Wie sorgen Sie dafür, nicht in Assets zu investieren, die langfristig „stranded“ sein könnten?
Levering: In der aktuellen Situation meiden wir bewusst Öl- und Kohlewerte und setzen stattdessen auf Erdgas und andere Übergangsenergieformen mit langer Perspektive. Dabei sind wir überzeugt, dass Gas nicht nur ökonomisch günstiger, sondern auch ökologisch verträglicher ist als Öl oder Kohle. Parallel sehen wir, dass steigende Nachfrage nach Elektrifizierung, erneuerbaren Energien und Speicherkapazitäten für eine gewisse Zeit eine stabile Rolle für Gas schafft. Um das Risiko sogenannter „Stranded Assets“ zusätzlich zu begrenzen, adjustieren wir unsere Bewertungsmodelle konsequent für die wirtschaftliche Lebensdauer von Anlagen. Wenn wir etwa annehmen, dass ein Asset in zehn Jahren obsolet ist, wird das explizit in den Cashflows reflektiert. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass wir nicht in Werte investieren, die möglicherweise günstig erscheinen, deren Substanz jedoch rasch an Bedeutung verliert. Unser Ansatz konzentriert sich auf Infrastruktur, die über Jahrzehnte tragfähig ist, und blendet vermeintlich billige, aber absehbar endliche Geschäftsmodelle bewusst aus.
e-fundresearch.com: Emerging Markets sind zwar derzeit nur sehr begrenzt in Ihrem Portfolio vertreten, waren aber zeitweise durchaus bedeutend. Welche Rolle spielen sie heute und wie steuern Sie politische Risiken in Ländern wie China oder Brasilien?
Perry: Emerging Markets haben in unserem Portfolio zeitweise etwa 20 Prozent ausgemacht, aktuell liegt der Anteil eher bei rund sieben Prozent. China, das zwischenzeitlich eine größere Rolle spielte, macht derzeit nur etwa zwei Prozent aus. Unser Ansatz ist dabei klar: Wir investieren nicht aus reiner Diversifikationslogik, sondern gezielt dort, wo wir eine strukturelle Nachfrage nach Infrastruktur sehen, sei es in Energie, Versorgungsnetzen oder Transport. Gleichzeitig gehen wir sehr vorsichtig mit politischen Risiken um. Das bedeutet, dass wir strikte Maßstäbe bei der Titelauswahl anlegen und in unseren Bewertungsmodellen auch Szenarien berücksichtigen, die regulatorische Eingriffe oder veränderte politische Rahmenbedingungen abbilden.
e-fundresearch.com: Zum Abschluss der Blick von Boston auf den „alten Kontinenten“: Europa hat zuletzt massive Fiskalpakete für Infrastruktur-Investments verkündet. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie hier im internationalen Vergleich?
Levering: Europa ist im Moment ein sehr interessanter Markt, weil wir eine Kombination aus wachsendem Investitionsbedarf und verbesserten regulatorischen Rahmenbedingungen sehen. In Ländern wie Deutschland und Großbritannien haben die Behörden signalisiert, dass die zulässigen Renditen für Versorger steigen werden, ebenso wie die finanzielle Unterstützung. Das ist entscheidend, denn höhere finanzielle Unterstützung in Verbindung mit höheren regulatorischen Renditen geben den Unternehmen den Spielraum, umfangreiche Investitionen in Netze und erneuerbare Energien zu tätigen, ohne dass die gesamte Last auf die Endkunden abgewälzt werden muss. Für uns bedeutet das, dass europäische Infrastrukturunternehmen nicht nur stärker wachsen können, sondern dies auch zu attraktiveren Renditen tun. Deshalb sehen wir in Europa aktuell ein Umfeld, in dem wir heute investieren, um mittel- bis langfristig von dieser Entwicklung profitieren zu können.
e-fundresearch.com: Herr Levering, Frau Perry, vielen Dank für das Gespräch!
Redaktioneller Hinweis: Das Gespräch führten Monika Rosen und Simon Weiler am 02. Juli 2025 im Wellington Hauptquartier in Boston.
Zu den Gesprächspartnern:
Tom Levering ist Senior Managing Director bei Wellington Management und Portfoliomanager des Enduring Infrastructure Assets Fund. Darüber hinaus arbeitet er als Global Industry Analyst mit Schwerpunkt auf Versorgungsunternehmen und Energietransportinfrastruktur in Boston. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Analyse und Bewertung globaler Infrastrukturwerte und verantwortet seit vielen Jahren die Umsetzung der Fondsstrategie.
Joy Perry ist Investment Director von Wellington Management in Boston. Sie verfasst regelmäßig Analysen zu Themen wie Dekarbonisierung, nachhaltigem Investieren, Diversifikation und Rohstoffmärkten. In dieser Rolle unterstützt sie die Portfoliomanager bei der Integration langfristiger struktureller Trends in die Investmentstrategie und begleitet die Weiterentwicklung nachhaltiger Anlageansätze.
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