e-fundresearch.com: Frau Chow, Sie verantworten bei Neuberger Berman den Next Generation Space Economy Fund. Können Sie uns zunächst erläutern, wie Sie die „Space Economy“ definieren und welche Dimensionen dieses Marktes Sie für Investoren besonders spannend finden?
Evelyn Chow: Wir definieren die Space Economy als die Nutzung und Erschließung des Weltraums für Forschung, kommerzielle Anwendungen und nationale Sicherheitsinteressen. In einfacheren Worten kann man sie als eine neue Arena für industrielle Innovation verstehen mit dem Potenzial, unser Leben auf der Erde zu verbessern, aber auch langfristig darüber hinaus. Heute liegt der Schwerpunkt noch auf „Space for Earth“, also Anwendungen, die unser tägliches Leben erleichtern, etwa durch Kommunikation oder Navigation. In fernerer Zukunft könnte sich ein „Space for Space“-Markt entwickeln, etwa durch Produktion oder Rohstoffgewinnung im All. Unabhängig von diesen langfristigen Szenarien erwarten wir, dass die Space Economy bis 2035 ein Volumen von rund 1,8 Billionen US-Dollar erreichen wird, ein Wachstum, das mehr als doppelt so stark ist wie das globale BIP im gleichen Zeitraum.
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e-fundresearch.com: Sie sprechen von einem erwarteten Marktvolumen von 1,8 Billionen US-Dollar bis 2035. Welche Treiber sind dafür entscheidend und welche Rolle spielen Technologieentwicklungen wie die Kostensenkungen durch SpaceX und politische Faktoren wie NASA oder ESA?
Chow: Der wichtigste Faktor ist die Kombination von Technologie und Politik. Technologisch wurde der Zugang zum Orbit durch Innovationen wie die wiederverwendbaren Raketen von SpaceX massiv günstiger, was völlig neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Auf der politischen Seite war die Raumfahrt zunächst nahezu ausschließlich von staatlichen Budgets abhängig. Auch heute stammen noch 20 bis 30 Prozent der Finanzierung von Regierungen. Institutionen wie die NASA oder die europäische ESA setzen nach wie vor die Rahmenbedingungen. Deutschland ist übrigens größter Beitragszahler der ESA. Gleichzeitig sehen wir, dass Regierungen zunehmend auf private Anbieter angewiesen sind, um Zugang zum All zu sichern. Das hat die Abhängigkeiten teilweise umgekehrt und schafft erhebliches Potenzial für die Privatwirtschaft.
e-fundresearch.com: Ihr investierbares Universum umfasst etwa 250 bis 300 börsennotierte Titel, zusätzlich zu Tausenden privaten Unternehmen. Welche Sektoren und Geschäftsmodelle dominieren dieses Universum derzeit und welche Rolle spielen klassische Verteidigungsunternehmen?
Chow: Insgesamt gibt es rund 3.000 Unternehmen, die an der Space Economy beteiligt sind. Investierbar an den öffentlichen Märkten sind derzeit etwa 250 bis 300 Titel. Dazu gehören klassische Pure-Play-Namen wie Rocket Lab, ein direkter Wettbewerber von SpaceX, oder Planet Labs. Hinzu kommen diversifizierte Rüstungskonzerne wie BAE in Europa, L3 Harris oder Boeing in den USA, die signifikante Anteile ihres Geschäfts mit Satelliten und Raumfahrtinfrastruktur erzielen. Daneben gibt es weniger offensichtliche Profiteure, etwa Versicherer wie Axa, die Satellitenpolicen anbieten, oder Agrartechnikunternehmen wie Trimble, die Satellitentechnologie für Präzisionslandwirtschaft nutzen. Dieses breite Spektrum verdeutlicht, dass es sich nicht nur um ein „Raketen- und Satellitenthema“ handelt, sondern um eine Querschnittsbranche mit realen Umsatz- und Gewinnquellen.
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e-fundresearch.com: Europa gilt oft als Nachzügler in neuen Technologietrends. Gleichzeitig betonen Sie die hohe Bedeutung europäischer Raumfahrtbudgets und haben in Ihrem Fonds knapp ein Fünftel des Volumens in europäische Titel investiert. Welche Rolle spielt Europa tatsächlich in der Space Economy?
Chow: Die USA sind mit über 60 Prozent des globalen Raumfahrtbudgets unangefochtener Marktführer. Dennoch spielt Europa eine wichtige Rolle. Deutschland ist der größte Beitragszahler zur ESA, Frankreich gemessen am BIP sogar noch engagierter. Interessant ist, dass etwa zehn Prozent des europäischen BIP bereits heute in irgendeiner Form von satellitengestützter Navigation abhängen, etwa in der Landwirtschaft, im Ressourcenmanagement oder in den Finanzdienstleistungen. Viele EU-Staaten haben ihre Raumfahrtbudgets in den letzten Jahren um 20 bis 30 Prozent erhöht, vor allem um Fragen der technologischen Souveränität zu adressieren. Für uns als Investoren eröffnet das reale Chancen, weshalb europäische Aktien derzeit rund 20 Prozent des Fonds ausmachen, im Gegensatz zu vergleichbaren Strategien, die in der Regel nur mit mittleren einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentwerten in Europa engagiert sind.
e-fundresearch.com: Viele Anleger verbinden Raumfahrt zunächst mit Space Tourism oder mit künftigen Visionen wie Asteroiden-Mining. Sie betonen hingegen die unmittelbare wirtschaftliche Relevanz von Bereichen wie Kommunikation, Navigation, Tracking oder Verteidigung. Welche dieser Anwendungen sind für Sie heute die zentralsten Wachstumstreiber?
Chow: Kommunikation ist derzeit das größte und am schnellsten wachsende Feld. Gemeint ist insbesondere der Aufbau von Satellitenkonstellationen im niedrigen Erdorbit, die weltweite Konnektivität ermöglichen. Ein zweiter wichtiger Bereich ist Navigation und Tracking, das reicht vom Ride-Hailing über Point-of-Sale-Systeme bis zur globalen Logistiksteuerung. Der dritte Bereich ist Erdbeobachtung, die für Landwirtschaft, Ressourcenmanagement oder Lieferkettenoptimierung genutzt wird. Schließlich gewinnt der Verteidigungsaspekt an Bedeutung: Die nächste Generation von Raketenabwehrsystemen wie das Golden Dome Programm basiert auf der Integration von weltraumgestützten Sensoren. Dagegen ist Space Tourism trotz medialer Aufmerksamkeit nur ein sehr kleiner Markt mit geschätzten vier bis fünf Milliarden US-Dollar Umsatzpotenzial innerhalb der 1,8 Billionen Gesamtvolumen.
e-fundresearch.com: Warum ist aktives Management aus Ihrer Sicht bei einem Nischen-Thema wie der Space Economy besonders wichtig und welchen Vorteil hat Ihr Ansatz gegenüber passiven Fonds?
Chow: Viele ETFs in diesem Bereich sind sehr konzentriert und halten oft nur wenige Titel mit hohen Einzelgewichtungen. Das macht die Portfolios anfällig für starke Schwankungen und begrenzt die Möglichkeiten, auf Marktentwicklungen flexibel zu reagieren. Unser aktiver Ansatz erlaubt es uns, breiter diversifiziert über 30 bis 60 Unternehmen zu investieren und dabei Qualitäts- und Risikomanagement stärker in den Vordergrund zu stellen. Zudem können wir durch unser Research nicht nur börsennotierte Unternehmen analysieren, sondern auch enge Kontakte zu wichtigen privaten Playern pflegen, die möglicherweise in den kommenden Jahren an den Markt gehen. Dieser Zugang verschafft uns einen Wissensvorsprung, der in einem passiven Produkt nicht abgebildet werden kann. Darüber hinaus eröffnet aktives Management die Möglichkeit, unterschiedliche Subsegmente und Regionen der Space Economy je nach Marktlage gezielt über- oder unterzugewichten.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Chow!
Das Interview führten Monika Rosen-Philipp und Simon Weiler am 30.06.2025 im Neuberger Berman Hauptquartier in New York.
Über Evelyn Chow:
Evelyn Chow ist Managing Director und Portfoliomanagerin bei Neuberger Berman. Sie verantwortet den Next Generation Space Economy Fund sowie die Climate Innovation-Strategie und leitet das Research-Coverage für die Sektoren Diversified Industrials einschließlich Aerospace & Defense. Zuvor war sie bei Goldman Sachs tätig. Evelyn Chow hat an der Harvard University einen Bachelor in Social & Cognitive Neuroscience sowie ein Nebenfach in Environmental Science & Public Policy erworben. Außerdem engagiert sie sich als Vorstandsmitglied bei The Resolution Project, einer Non-Profit-Organisation zur Förderung von Social-Impact-Ventures.
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